Avsnitt

  • Wie rutscht ein komplexes, gesellschaftliches System in eine Abwärtsbewegung hinein? Die befremdliche Antwort ist vielleicht, dass die Bewohner selbst, wie die verarmenden Adligen des 19. Jahrhunderts, kein wirkliches Krisenbewusstsein entwickeln, sondern über lange Zeit ein sentimental geschöntes, zunehmend haltloses Selbstbild aufrechterhalten. Schon aus diesem Grund ist der Blick eines Außenseiters interessant, umsomehr, wenn dieser, wie Juan Gruben, an leitender Stelle, gleich mehrere Staatsbankrotte hat begleiten und beobachten können.

    Als der junge Deutsch-Argentinier Juan Gruben, 1954 in Buenos Aires geboren, im Jahr 1980 als Trainee nach Deutschland kam, verliebte er sich sogleich in dieses Land. Denn auf rätselhafte Weise schien im Wirtschaftswunderland alles perfekt zu funktionieren. Nicht bloß, dass die Züge auf die Minute pünktlich ankamen und wieder abfuhren, zudem konnte er Dinge gewärtigen, die ihm aus seinem von Inflation und Militärdiktatur geplagten Heimatland Argentinien gänzlich unbekannt waren: Rentner, die anstatt in die Armut und die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit zu gleiten, ihr Leben genossen, zudem eine Nachbarschaftlichkeit, die dem zuvor nur reklamierten Begriff der gesellschaftlichen Solidarität eine Lebenswirklichkeit zuführte. Das Überraschendste aber war, dass es in dieser saturierten Gesellschaft etwas gab, was als höher noch galt als der Reichtum: nämlich der Geist, jene Reputation, die jenen Schichten entspringt, die man gemeinhin bildungsbürgerlich nennt - und all dies war Grund, Deutschland zur Wahlheimat zu machen.

    Freilich musste der junge Mann, der für die Dresdner Bank eine steile Bankkarriere hinlegte, der zunächst die Lissaboner Repräsentanz übernahm, dann zum Senior Country Manager in Buenos Aires aufstieg, erleben, dass mit jedem Heimaturlaub sein schönes Deutschlandbild eine weitere Beschädigung aufwies – und dass dies nicht zuletzt mit dem Aufstieg des neoliberalen Denkens zusammenhing. Zwar wurde man in den Bankenkreisen nicht müde, von Humankapital und Personalmanagement zu sprechen, gleichwohl schien es, als ob auch die Mitarbeiter nichts weiter waren als Zahlen, Passiva, die man idealiter freisetzen oder durch billigere Arbeitskräfte ersetzen konnte. Hatte man in den Anfangszeiten der Digitalisierung nur die Salden der Konten, mit Codes versehen, an ein Rechenzentrum geschickt, wurde im Verlaufe der Zeit das ganze Geschäftsmodell der Bank ausgelagert – begnügten sich die Banken damit, ihren Kunden jene Papiere und Fondsanteile zu verkaufen, die von Rating Agenturen mit einem Triple-A versehen worden waren. Mochte dies ein Spiel für risikoadverse Lemminge sein, konnte Juan Gruben gleich zweimal in Südamerika erleben, was passiert, wenn ganze Volkswirtschaften in einen Bankrott hineinschlittern. Zum Zeugen eines solchen Desasters zu werden, bei dem Geld-Volatilität und Gesellschaftschaos einander die Hand reichen, wo vor allem Kurzsichtigkeit, Sozialdarwinismus und Korruption reüssieren, ist eine Erfahrung, die nur wenigen Menschen zuteil wird – und aus diesem Grunde war der gemeinsame Rückblick darauf, wie sich im letzten halben Jahrhundert das Bankenwesen, aber auch das Modell Deutschland einer schleichenden Zerrüttung hat anheimfallen können, eine höchst anregende Unterhaltung, eine Unterhaltung, an deren Ende sich die sonderbare Einsicht einstellt, dass Argentinien nun überall ist. Dass nun auch die Bewohner seiner Wahlheimat von den Gespenstern des Zerfalls, Deindustrialisierung, Inflation, politischer Destabilisierung, heimgesucht sind, ist dem bekennenden Helmut Schmidt-Fan ein Gräuel. Und da sich die Sozialdemokratie von ihren eigenen Werten entfernt hat, hat der alte Sozialdemokrat seine Mutterpartei verlassen und engagiert sich nun in in seinem Heimatkreis Pinneberg in der Kommunalpolitik.

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  • Es gibt nicht viele Menschen, die davon berichten können, wie es ist, im Augenblick eines Blackouts für das Energiesystem eines Landes verantwortlich zu sein. Manfred Haferburg ist einer der wenigen, die auf ein solches Ereignis zurückschauen können. Denn zum Jahreswechsel 1978/79 war der junge Ingenieur als Schichtleiter zuständig für den Betrieb des größten Kernkraftwerks der DDR, Greifswald. Zwar absolvierte er diese Aufgabe mit Bravour, gleichwohl erwies sich der Staat ihm gegenüber als wenig großzügig: Als Nicht-Parteimitglied, das zudem nicht willens war, für die Stasi tätig zu werden, wurde Haferburg zum Objekt einer Operativen Personenkontrolle, festgenommen, verhört und misshandelt und schließlich mit verbundenen Augen aus einem Auto auf die Straße geworfen. All diese Erfahrungen verarbeitete er 2013 in seinem Roman Wohn-Haft, zu dem sein Freund Wolf Biermann ein Vorwort schrieb. Weil der gelernte DDR-Bürger eine ideologische Grundskepsis entwickelt hatte, erweckten die Verheißungen der Energiewende, mit all ihren Versprechungen, seine Skepsis - und so wurde Manfred Haferburg, neben seiner Beratertätigkeit für große Kernkraftunternehmen weltweit, auch publizistisch tätig. Allein die Vorstellung, dass man eine über einhundertzwanzig Jahre gewachsene soziale Plastik binnen kurzem umgestalten könne, mehr noch, dass die Transformation des gesellschaftlichen Energiesystems Amateuren übertragen werden sollte, widersprach dem Ethos des Ingenieurs – und brachte den Publizisten hervor, der die Absurditäten dieser Gesellschaftsentwicklung auf den Punkt bringt. Diese punktgenauen, unideologischen Analysen wiederum haben meine Aufmerksamkeit geweckt – und zu jener anregenden Unterhaltung mit ihm geführt, die hiermit öffentlich wird.

    Manfred Haferburg studierte an der Technischen Universität Dresden Maschinenbau mit Vertiefungsrichtung Kernenergetik. Nach seiner Arbeit als Schichtleiter für das Kernkraftwerk Greifswald war er nach der Wende für einen großen Energieversorger tätig. Nach einem Umzug nach Paris wurde Berater für große Kernkraftunternehmen - weswegen es wohl mehr Kernkaftwerke von innen gesehen hat als irgendein Politiker. Zudem sitzt er im Advisory Board der in Kanada tätigen Firma Dual Fluid, die Kernkraftwerke neuen Typs entwickelt, welche, anders als die Leichtwasserreaktoren à la Tschernobyl, frei von der Gefahr einer Kernschmelze, zudem sehr viel energieeffizienter sind – was auch zur Minimierung des radioaktiven Abfall beiträgt.

    Von Manfred Haferburg sind erschienen

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  • Wenn die Psyche, wie Michael Schulte-Markwort schreibt, immer auch an die Veränderungen des Zeitgeistes geknüpft ist, nimmt es nicht wunder, dass sich gesellschaftliche Umbrüche zuallererst in den Kinderseelen niederschlagen. Gleichwohl war der Verfasser dieser Zeilen doch überrascht, nach mehr als drei Dekaden in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sich einer neuartigen Problematik gegenüberzusehen: mutlosen Mädchen, die sich zunächst aus der Schule, dann aus sämtlichen sozialen Bindungen zurückgezogen hatten. Dabei hätten die Bedingungen von außen betrachtet gar nicht besser sein können, waren es doch die eigenen Mütter, welche die Verheißung eines selbstbestimmten, emanzipierten Lebens vorlebten. Dennoch war das vorherrschende Lebensgefühl der Töchter von einer nachgerade lähmenden Sinnlosigkeitsempfindung überschattet. Schaut man genauer hin, erzählen die Leidensgeschichten der mutlosen Mädchen von durchaus gegenwärtigen Problemen. Denn was tut man wohl, wenn sich das Leben zum Laufsteg verwandelt, zu einem Kunstwerk, an dem man, weil es eine beständige Selbstüberforderung mit sich bringt, nur scheitern kann? Wo es keine Vorbilder, keine Hoffnung, keinen Weg mehr gibt, zieht man sich zurück. Mag der Rückzug keinerlei Verheißung bedeuten, so erspart man sich doch die narzisstische Demütigung – dass einem in der Konfrontation mit einer als feindlich empfundenen Außenwelt noch der letzte Rest von Selbstbewusstsein ausgetrieben wird. Begreift man Michael Schulte-Markworts Bericht von den mutlosen Mädchen nicht bloß als das Problem einer neuen Generation, kann man darin die Spiegelung einer Welt entdecken, der die Zukunftsentwürfe ausgegangen sind.

    Michael Schulte-Markwort, der als einer der renommiertesten deutschen Kinder- und Jugendpsychiater gilt, wirkte als Professur für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Hamburg. In seiner ärztlichen Karriere war er, neben anderen Posten, Leitender Abteilungsarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychosomatik des Altonaer Kinderkrankenhauses. Seit 2020 widmet er sich dem Aufbau der Privatpraxis Paidion-Heilkunde für Kinderseelen in Hamburg und Berlin.

    Von Michale Schulte-Markwort sind u.a. erschienen:

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  • Wenn man sich mit dem Schein und den Wörtern begnügt, so ist es ein Leichtes, sich in einem Paralleluniversum einzurichten, das auf wundersame Weise frei ist von allen Widrigkeiten, die das tägliche Leben ansonsten bereithält. Und weil die classe politique nicht mehr für, sondern von der Politik lebt, hat sich ein geistiger Somnambulismus breit gemacht, bei dem man alles, was die Klarheit des eigenen Denkens trüben könnte, als „wenig hilfreich“, unbotmäßig oder skandalös brandmarkt – in guter Hegel’scher Tradition, der auf den Hinweis, dass seine Theorie sich nicht mit den Tatsachen vertrage, gesagt haben soll: „Umso schlimmer für die Tatsachen“. Was mich auf Bernd Siggelkow aufmerksam gemacht hat, war eine Pressemeldung, die vor Kurzem die Runde machte: nämlich, dass der Gründer des christlichen Kinder- und Jugendwerkes „Die Arche“ die Politik an ihre Versäumnisse erinnerte und daran, dass, bei Fortsetzung ihrer systematischen Ignoranz, die Arbeit vor Ort gänzlich unmöglich gemacht, ja, letztlich zum Scheitern verurteilt sei. Dass diese Kritik nicht von einem politischen Gegner geäußert wurde, sondern aus eine Position heraus, die sich als christlich und caritativ versteht – und dies auch so praktiziert –, wirft ein grelles Schlaglicht auf die Wirklichkeitsvergessenheit der politischen Klasse. Auf die Frage, ob seine Philippika irgendetwas bewirkt habe, musste Bernd Siggelkow jedoch einräumen, dass das Resultat ganz einfach gewesen sei: Nichts. Umso interessanter freilich jedoch war die Unterhaltung mit ihm, der die Probleme der Gegenwart in unverstellter, schärfster und bemitleidenswertester Form zu Gesicht bekommt: in Gestalt all der Kinder nämlich, die von der Welt vergessen worden sind. Womit gesagt sein sollte, dass die Tatsachen der verwalteten Welt sich nicht auf irgendwelche Kautelen, Informationen oder Ideologeme beziehen, sondern zuallererst in der bedürftigen Gestalt eines Kindes daherkommen.

    Von Bernd Siggelkow sind u.a. erschienen:

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  • Eine der großen Sonderbarkeiten der Moderne ist, dass sie den Nimbus des Weisen allein den Ökonomen zuerkennt – und dies ungeachtet der Tatsache, dass eine Wirtschaftskrise nach der anderen über die Gesellschaft hereingebrochen und Laien wie Wirtschaftsweise gleichermaßen überrascht hat. In diesem Konzert ist Heiner Flassbeck schon insoweit eine Ausnahme, als er die Grundannahmen seiner Zunft stets beargwöhnt, ja, als eine Form der Torheit betrachtet hat. Dass er diese Kritik nicht im ökonomischen Abseits formulierte, sondern aus einer Position heraus, die ihm ebenso viel Verantwortung wie Einsicht in globale Wirtschaftsprozesse vermittelte, macht seine Perspektive nur umso interessanter. In jedem Fall hat man es hier nicht mit einer Haltung zu tun, die sich einem akademischen Utopia oder weltvergessenen Modellen verdankt, sondern dem, was man ehedem höchst treffend politische Ökonomie genannt hat. Folglich hat das Gespräch mit ihm den Charakter einer tour de force annehmen können, welche sich nicht scheut, die großen Fragen der Ökonomie in Augenschein zu nehmen: den kreativen Zerstörer à la Schumpeter, das Scheitern der Globalisierung, die Bitcoin-Manie und warum Geld, den Modellen aller Ökonomen trotzend, noch immer eine Glaubensordnung darstellt.

    Nach einer langen Zeit am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung wurde Heiner Flassbeck im Jahr 1998 zum Staatssekretär im Wirtschaftsministerium berufen. Von 2003 bis zu seiner Pensionierung wirkte er als Chef-Volkswirt bei der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung ist Genf. Indes ist von einem Ruhestand bei ihm wenig zu spüren, hat er doch in den letzten Jahren einige durchaus voluminöse Bücher verfasst.

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  • Die Welt der digital natives ist eine andere geworden – und sie kennt Reize, Verführungen und Fantasien, die in der analogen Welt undenkbar gewesen wären. Mögen die Diskurse der Wirklichkeit hinterherlaufen, so gilt dies nicht für die Psyche, die alledem schutzlos ausgesetzt ist. Schon dies ist ein Grund, sich mit Heike Melzer zu unterhalten, die, als Neurologin und Psychotherapeutin in ihrer Praxis mit Fällen konfrontiert ist, die präzedenzlose Schieflagen enthalten – und mehr noch: die diesen Fallgeschichten Bücher gewidmet hat. War das erste, Scharfstellung betitelt, der Frage gewidmet, wie sich das Wisch- und Weg des Datingmarkts, die Online-Pornographie und auch die Bereitstellung von Sexspielzeugen auf das Seelenleben der Mitteleuropäer auswirkt, so hat sich ihr Fokus nunmehr den Ködern zugewandt hat, die im Internet ausgelegt sind – und den Nutzern verheißen, dass das Glück nur einen Mausklick entfernt liegt. Indes verkehrt sich diese Verheißung nicht selten ins Gegenteil. Oder wie Heike Melzer schreibt:

    Einst angetreten mit dem Ziel, Freiheit und Genuss zu erlangen, endet die jahrelange Reise hedonistischer Umtriebigkeit immer öfter in den Untiefen von Abstumpfung und der Enge zwanghafter oder abhängiger Verhaltensweisen des Überkonsums.

    Heike Melzer ist Neurologin, ärztliche Psychotherapeutin und Business-Coach. Sie führt eine Praxis für Paar- und Sexualtherapie in München und auf Sylt.

    Von Heike Melzer sind erschienen:

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  • Schaut man sich um, ist augenfällig, dass das, was heutzutage als Geld gelten mag, eine tiefe Umwertung durchgemacht hat. Hat sich das Geld mit dem Ende von Bretton Woods vom Goldstandard gelöst, mag es scheinen, als ob es sich, digitalisiert, überhaupt ins Ungefähre verflüchtigt. Genau dies ist der Grund, warum sich Frank Engster, gemeinsam mit zwei Mitautoren, daran gemacht hat, eine Kleine Philosophie des Geldes im Augenblick seines Verschwindens zu schreiben. Ist der Übergang in die Postmaterialität eine Form des Gestaltwandels, kommen hier längst vergessen geglaubte Gespenster wieder ans Licht. Geld wird sichtbar als eine Form des kollektiven Glaubenssystems, mit dem sich die Gesellschaft aus den alten Schuldverhältnissen befreit hat, um den Preis jener Entfremdung allerdings, welche die Bewohner des Kapitalismus seit jeher höchst skeptisch beargwöhnt haben. Dieser Vorgeschichte nun, in der vergessene Tiefenschichten der Ökonomie lesbar werden, gilt das besondere Interesse Frank Engsters. Er begreift das Geld als Universal-Metrisierungs-Methode, mit der alles, selbst das Unvergleichliche, ein und demselben Maß unterworfen wird.

    Frank Engster, der über das Geld als Maß, Mittel und Methode promoviert hat, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hellen Panke e.V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin.

    Von Frank Engster sind erschienen

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  • Es ist wahr, die Welt ist kompliziert, und man muss sich dabei nicht einmal in die Abgründe der Sprachphilosophie oder der Quantenmechanik verirren. Es reicht schon hin, dass man einen Spielplatz besucht. Selbst hier nämlich kommt man nicht umhin, den kognitiven Dissonanzen der Gegenwart ins Auge zu sehen, kann es, aus heiterem Himmel, passieren, dass man mit den absurdesten Paradoxien konfrontiert wird. Mögen diese in der Theorie nichts weiter sein als ein Sprachspiel, ändert sich sich dies, wenn ein Kind ins Spiel kommt (eine Erfahrung, die einen guten Freund zu der fatalistischen Bemerkung veranlasst hat, ein solcher Sprössling sei doch ein trojanisches Pferd, kehrte hier eine längst überwunden geglaubte Gesellschaft zurück). Was beispielsweise macht eine überzeugte Feministin, wenn sie, mit einem Knaben gesegnet, als Komplizin toxischer Männlichkeit beargwöhnt wird, zudem von der dumpfen Gewissheit heimgesucht wird, dass der Lebensweg ihres Knaben mit einem Malus belegt ist? Dass Hannah Lühmann dieser Gedankenverlegenheit eine Stimme gegeben hat, war für mich ein Anlass, mit ihr in ein Gespräch einzutreten – und darüber in Erfahrung zu bringen, welche Richtung die Gender-Diskurse der 90er Jahre eingeschlagen haben - und wie sehr dies den Alltag bestimmt. Nun gehöre ich zwar selbst der Boomer-Generation an, gleichwohl sind mir die fraglichen Gedankenfiguren nicht unvertraut – beschäftigt man sich doch nicht ungestraft mit dem Dogma der Unbefleckten Empfängnis oder fragt sich, wie die Antike ihre Hopliten zu iron men hat zurichten können. Nun haben die Diskurse der Gegenwart derlei kulturgeschichtliche Rätselfiguren weit hinter sich gelassen. Stattdessen hat sich eine Art der moralischen Ökonomie eingebürgert, bei der Konzepte wie die genderneutrale Erziehung oder die genderkorrigierte Fassung der Kinderbuch-Klassiker zum guten Ton gehören, wenn sie nicht überhaupt das juste milieu der U-40 charakterisieren. In diesem Sinn war das Gespräch mit Hannah Lühmann eine gleichermaßen unterhaltsame wie aufschlussreiche Exkursion, der Ausflug in eine Welt, die ich vielleicht in statu nascendi erlebt haben mag, die aber Konflikte ganz neuer Schärfe und Prägung hervorgebracht hat. Gewiss fühlt sich dabei vieles fremd und ungewohnt an, aber vielleicht besteht die ganze Kunst darin, dass man den kognitiven Dissonanzen nicht ausweicht, sondern sie als das Porträt unserer Epoche begreift – jener Welt, in der man gar nichts anderes mehr sein kann als ein digital native. Oder wie Hannah Lühmann amüsiert davon erzählt, welch prominenten Platz die Sprachsteuerung in der Phantasiewelt ihres 4-jährigen Sohnes eingenommen hat: Achtung, Laserkanone!

    Hannah Lühmann, geboren 1987, hat Philosophie in Berlin und in Paris studiert. Sie ist stellvertretende Ressortleiterin im Feuilleton der "Welt" und "Welt am Sonntag".

    Von Hannah Lühmann ist erschienen

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  • Das stärkste Antidot, das den Einzelnen davor bewahrt, sich einem Phantasma anheimzugeben, ist zweifellos, dass man das, worüber man theoretisierend nachzudenken sich anschickt, in der Praxis kennengelernt hat. Und was die junge Soziologin Elena Esposito, die zunächst bei Umberto Eco Soziologie studierte, später bei Niklas Luhmann in Bielefeld habilitierte, davor bewahrte, eine Künstliche Intelligenz herbeizubeschwören, wo doch lediglich die Gesetze der Wahrscheinlichkeit walten, war, dass sie, um Geld zu verdienen, eine Zeitlang als Consultant für eine große Computerfirma tätig war, welche die aufblühende Games-Industrie mit neuen Werkzeugen versorgte. Diese Vertrautheit mit Programmierern, ihren Denkgewohnheiten und den Phantasien, die sich im Game-Development herausgebildet haben, hat den Blick der Soziologin herausgefordert: jene Veränderungen in den Blick zu nehmen, welche der alltägliche Umgang mit Computern für unsere Kommunikation mit sich bringt. Und genau dies war es, was das Gespräch mit Elena Esposito zu einem regelrechten Vergnügen gemacht hat: dass man sich nicht über irgendwelche Phantasmen austauscht (»Wird der Computer den Menschen ersetzen?«), sondern über das, was Sache ist. Was den coolen Blick der Soziologin zur Geltung bringt, die mit großer Sorgfalt seziert, was es für eine Gesellschaft bedeutet, mit unverständlichen Maschinen in die Kommunikation einzutreten.

    Elena Esposito lehrt Soziologie an der Universität Bielefeld und an der Universität Bologna.

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  • Vielleicht ist das größte Rätsel der Gegenwart, dass die entscheidenden, lebensprägenden Dinge sich unbewusst einhausen – in einem solchen Maße, dass man nicht einmal mehr zur Kenntnis nimmt, dass die eigene Lebensführung nicht auf bewusste Entscheidungen zurückgeht, sondern den Gewohnheiten geschuldet ist. Das altgriechische díaita bezieht sich folglich nicht auf die Ernährungsweise, sondern ganz allgemein auf die Lebensführung – wovon die Diäten, die wir unseren Abgeordneten gönnen, einen Widerschein liefern. Umgekehrt läuft der Gedanke, dass man die Lebensführung von der Ernährung abkoppeln kann, ja, dass diese eine Art Sondersphäre darstellt, auf eine Form der Verdrängung hinaus. Dass die großen Lebensmittelkonzerne sich dies zunutze gemacht haben, indem sie die Konsumenten mit geschmacksverstärkten, überzuckerten, billig hergestellten und durchweg kommodifizierten Lebensmitteln beliefern, mag der Logik des Kapitalismus geschuldet sein, erstaunlicher ist, dass auch die Medizin, die mit den fatalen Auswirkungen des täglichen junk foods zu tun hat, die Lebensführung ihrer Patienten aus dem Blick verloren hat. Ein Grund dafür ist gewiss die Spezialisierung, die den Wissenschaftsphilosophen Nicholas Murray Butler zu der treffenden Beobachtung veranlasst hat:

    Ein Experte ist jemand, der immer mehr über immer weniger weiß, bis er alles über nichts weiß. (Nicholas Murray Butler)

    Weil auf diese Weise der Patient (als ganzheitliches Wesen) aus dem Blick gerät, sind die Mediziner rat- und hilflos, was die Ausbreitung der Zivilisationskrankheiten anbelangt, oder wie man vielleicht eher sagen müsste: der Konsumkrankheiten. Denn zunehmend betreffen diese nicht bloß die fortgeschrittenen Alterskohorten, sondern auch Jüngere, ist es nicht selten, dass bereits Kinder unter Rheuma, Diabetes und Bluthochdruck leiden. Um dem entgegenzuwirken, hat der Diabetologe Matthias Riedl in den 90er Jahren das medicum Hamburg gegründet und später eine Fernsehsendung ins Leben gerufen, die, in höchst populärer Form, versucht, die Konsumenten daran zu erinnern, was sie tagtäglich zu sich nehmen – und welch fatale Wirkungen dieser wohlige Konsumismus auf ihre Gesundheit hat. Hat man im Marketing die Heldenreise C.G. Jungs auf den Konsumenten übertragen, so besteht die „Küchenpsychologie“, die Matthias Riedl gemeinsam mit seinen Kollegen, den »Ernährungs-Docs« anwendet, darin, die betreffenden Personen zu ermutigen, ihr Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen, sich gesund und bewusst zu ernähren. Nun ist eine solche Lebensveränderung, die man neumodisch „Selbstwirksamkeit“ nennen mag und die ein Mediziner wie Matthias Riedl als „artgerechte Ernährung“ bezeichnet, schon seit Kant die Aufgabe aller Aufklärung gewesen: die Befreiung des Menschen aus seiner »selbst verschuldeten Unmündigkeit«. Und ist das wirklich so schwierig? Vielleicht, und hier mag das Missverständnis aller Volksbeglücker gewesen sein, beginnt diese Befreiung nicht damit, dass man sich in irgendwelche Ideologien versteigt, sondern dass der erste Schritt in die Mündigkeit den Betreffenden in die eigene Küche hineinführt. Also dann, guten Appetit!

    Matthias Riedl fokussierte sich nach anfänglicher journalistischer Arbeit auf die Medizin und leistete hier, mit der Gründung des medicum Hamburg, Pionierarbeit. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er durch die TV-Serie “Die Ernährungs-Docs” bekannt, welche die in der praktischen Arbeit gewonnenen Einsichten in einem erfolgreichen Fernsehformat umsetzte.

    Von Mattias Riedl sind erschienen:

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  • Es ist schon eine Weile her, dass die alte Punk-Parole (»legal, illegal, scheißegal!«) sich Laut machte, gleichwohl scheint sich auch unsere classe politique in einer großen Verwirrung zu befinden, was den Geist der Gesetze anbelangt. Anders jedenfalls ist nicht nicht zu erklären, dass man im Jahr 2021 ein Vergehen namens Verfassungsschutz-relevante Delegitimierung des Staates ersann - und zudem, anders als ehedem, da man sich auf staatsfeindliche Gruppierungen fokussiert hatte, nun auch noch Einzelpersonen zu Beobachtungsobjekten macht. Was aus derlei unscharfen Rechtbegriffen erwächst, die auch Vorfälle »unterhalb der Strafbarkeitsschwelle« erforschen, lässt dunkle Erinnerungen an Orwell’sche Gedankenverbrechen und ein obrigkeitsstaatliche Denken aufkommen. Dass nun ausgerechnet jene Institution, deren Aufgabe es doch wäre, das Vornehmste dieses Staatsgebildes, nämlich seine Verfassung zu schützen (und zwar auf die diskreteste Art und Weise), sich als Akteur ins Tagesgeschehen einmischt und munter ihre Weisheiten in die Welt hinaustweeted, ist einigermaßen irritierend – umsomehr als derlei auf den bürgerlichen Tod der Beobachtungsobjekte hinauslaufen kann. Und so zitiert Mathias Brodkorb Toqueville, der schon im 19. Jahrhundert die Logik des Cancelns als ›Vervollkommnung des Despotismus‹ begriffen hat:

    Du wirst dein Bürgerrecht behalten, aber es wird dir nicht mehr nützen (…). Du wirst weiter bei den Menschen wohnen, aber deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren. (…) Gehe hin in Frieden, ich lasse dir das Leben, aber es ist schlimmer als der Tod.‹

    Die Beobachtungen, die Mathias Brodkorb (seines Zeichens Sozialdemokrat und Ex-Finanzminister der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern) in seinem Buch Gesinnungspolizei im Rechtsstaat zusammengetragen hat, sind durchaus verstörend. Dabei ist eine der großen Stärken, dass Brodkorb sich nicht nur mit den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes, rechts wie links, ausgetauscht hat, sondern auch mit Mitarbeitern des Verfassungsschutzes selbst. War letzteres nur unter konspirativen Bedingungen möglich, so bezeugen diese Innenansichten, dass auch langjährige Mitarbeiter der Entwicklung ihrer eigene Behörde höchst kritisch gegenüberstehen können.

    Mathias Brodkorb, studierter Philosoph und Gräzist, hat sich, bevor er im Kabinett Sellering in Mecklenburg-Vorpommern zunächst Kultur-, dann Finanzminister wurde, vor allem dem Kampf gegen Rechts verschrieben. Derzeit ist er als Kolumnist für das Magazin Cicero tätig.

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  • Von Bertolt Brecht stammt die sonderbare Verszeile: »Was sind das für Zeiten, wo /Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist / Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!«. Stand dies Gedicht unter dem Titel An die Nachgeborenen, so mutet es sonderbar an, dass das Gespräch mit einem Forstwirt, genauer: einem Dr. forest., bei dem es wirklich nur um Bäume geht (vulgo: die Nachhaltigkeit), gleich ins Politische ausgreifen muss. Dass dem dennoch so ist, hat damit zu tun, dass die grüne Nachhaltigkeitsideologie sich längst in die Abgründen der politischen Romantik hinein verirrt hat – und ein zunehmend paternalistisches, autoritäres Staatsverständnis an den Tag legt. Von daher verwundert es nicht, dass Andreas Schulte, ein Urgrüner, der lange Zeit in der Entwicklungshilfe tätig war, wenig Positives zur zeitgemäßen Nachhaltigkeitsideologie zu sagen hat – nicht zuletzt, weil ihr Zeithorizont dem politischen Situationismus geopfert worden ist. Oder wie Schulte dies in ein Motto übersetzt hat:

    If Ideology is master,

    you reach disaster faster!

    Nach Aufenthalten in Bolivien und Indonesien, wo er die forst- und holzwirtschaftliche Fakultät an der Mulawarman University aufbaute, folgte Schulte dem Ruf der Universität Münster und übernahm ab 2003 den Lehrstuhl für Waldökologie, Forst- und Holzwirtschaft. Parallel bautet er das Start-Up Wald-Consult Ltd. auf, das internationale Anlegern dabei unterstützt, auf ähnlich nachhaltige Art und Weise zu investieren, wie es bereits Jakob Fugger im späten Mittelalter gelungen ist. Mag dessen gigantisches Vermögen im Laufe der Jahrhunderte den Zeitläuften zum Opfer gefallen sei, so erfreuen sich die Bewohner der Fuggerei noch heute der Früchte dieser Weitsicht (zum Preis einer Jahreskaltmiete von 0,88 € und täglich drei Gebeten). In diesem Sinn ist Nachhaltigkeit kein leeres Wort – geschweige denn, ein ideologischer Prügel, den man nach Belieben gegen seine politischen Feinde einsetzt. Vielmehr ist daran die Ermahnung geknüpft, dass der Wald eine hochkomplexe Kulturlandschaft ist, in der Ökonomie, Ökologie und die eigene Lebenspraxis in ein generationsübergreifendes Gleichgewicht übersetzt werden muss.

    Hier der Link zu Andreas Schultes Cum Tempore-Website

    Videos von Andreas Schulte

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  • Das Vorhaben Booles, den Repräsentanten aus der Mathematik zu entfernen, hat sich in einem sehr viel größeren Maßstab bewahrheitet, als sein Verfasser sich dies hat ausmalen können. Denn mit dem Code der Repräsentation ist ein über mehrere Jahrhunderte ausbuchstabierter Gedankenkontinent brüchig geworden. Unsere Vorstellung davon, was Schrift, Geld, Arbeit, Wissen ist, was Reproduktion, Natur, Körper, Herrschaft oder Politik – der ganze Kontinent unseres Denkens und unseres historischen Selbstbewusstseins muss an dieser Formel zerschellen.

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  • Mögen die Experten ein unverzichtbarer Teil der zeitgenössischen TV-Talkshow-Spektakel sein, so ist die Heraufkunft dieser Spezies doch ein merkwürdiges Faktum, umsomehr, als sich in ihrem Schlepptau ein neuartiger Typ des Experten befindet, der Ethiker nämlich, der sich als Fachmannfrau in ethischen Grenzbezirken umtut. Genau diesem unzertrennlichen Duo hat Alexander Bogner seine soziologische Forschung gewidmet – eine Forschungsentscheidung, der die Wirklichkeit in Gestalt von diversen Gesellschaftsumbrüchen nachgefolgt ist. Wer erinnert sich nicht an die Corona-Krise, in der eine ganze Armada von Experten die Bühne betrat, stets mit dem philosophischen Schatten im Rücken, dem Ethiker nämlich, der im Namen irgendeines nationalen Ethikrates die politische Entscheidung mit der entsprechenden Weisheit garnierte? Konnte sich die Politik auf diese Weise aus der Verantwortung stehlen (und zugleich zu präzedenzlosen Selbstermächtigungsakten schreiten), ist evident, dass man es hier, aller schönen Worte zum Trotz, mit einer hochproblematischen Gemengelage zu tun hat, die nicht selten auf das hinausläuft, was man eine „organisierte Verantwortungslosigkeit“ nennen könnte. Schon aus diesem Grund ist ein Gespräch mit Alexander Bogner ein großer Gewinn. Abgesehen davon, dass man erfährt, dass die Ethik der Philosophie das Leben gerettet habe, gerät die Figur des Experten in den Blick – nicht als Lösung, sondern als Problem, das einer soziologischen Analyse bedarf.

    Alexander Bogner lehrte nach diversen Forschungsaufenthalten an der Universität Innsbruck. Seit 2019 ist er Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie.

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  • Im Unterschied zu den anderen Formen der Wiederkehr des Verdrängten scheint das Digitale, als Technologie, die Geisterwelt gewissermaßen technisch wiederzubeleben. Die scheinbar abgespaltene Geisterwelt wird zu einer Größe, die archiviert, verwaltet, belebt, manipuliert und ausgesaugt werden kann. Wer über die gespenstisch generierten Daten verfügt, wird die Köpfe der Menschen beherrschen.

    Digitaler Animismus

    Psychopompos

    Ubiquitätsmärchen

    Drohnenfantasie

    Infinite Gegenwart

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  • Wenn die Innenwelt den Körper als Wohnort aufgibt und in den Datenraum abwandert, wird sie das, was sie schon immer war: virtuell. Denn die Innenwelt ist der Ort, an dem die Wünsche verwaltet werden.

    Die Entfernung der Welt

    Die Außenwelt der Innenwelt

    Adam und Eva

    Streicheleinheit

    Borderliner

    Tod durch Selfie

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  • Zu Information aufgelöst, wird die Welt zum reinen Zeichen. Demgegenüber steht das analoge Rauschen, die Kontamination, der ganze Dreck. Insofern etwas Zeichen wird, wird es unsterblich, streift es mit seinem irdischen Leib auch alle Dunkelheit ab, die sich der reinen Vernunft widersetzt.

    Die Abschaffung der Wölfe

    Ausgeburten des Sozialen

    Gebrannte Kinder

    In der Datenhülle

    Mana

    Alles spricht

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  • Das Internet, zum Archiv des Realen geworden, stellt ein Modell der Realität dar, und zugleich: ihre Überschreitung. Es bietet Möglichkeitsformen der Realität. Wie der Träumer, der im Traum zu Bewusstsein kommt und nun, urplötzlich zum Regisseur seines Traums geworden, begreift, dass er, wenn er denn will, fliegen kann, löst man sich von der Welt und wird gewahr, dass es Parallelwelten gibt, in denen andere Gesetze herrschen mögen, in denen es keine Gravitation und keinen Energiemangel gibt. Welcome Gamers, here we are!

    Ein Dokument des Universums

    Der Himmel ist blau

    Die beste aller Welten

    Auf Wolke Nr. 7

    Geisterbeschwörung

    Kunststoff

    Das lebende Archiv



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  • Die gleichzeitige Anwesenheit alles je Geschaffenen, so haben die mittelalterlichen Theologen gelehrt, ist die Hölle. Unter diesen Auspizien kann das Internet als ein Ort der Weltverstopfung, als digitale Hölle aufgefasst werden. Denn das Netz vergisst nicht. Und auch wenn der Betreiber dieses oder jenes Servers Sorge trägt, seinen digitalen Vorgarten frei von Verunreinigungen zu halten, trägt die Proliferationslogik des Netzes dazu bei, dass jeder Dateneintrag tendenziell einen Ewigkeitswert erhält.

    Logik der Zersetzung

    Die große Flut

    Totalliquidation

    Aufmerksamkeitsökonomie

    Scheinproduktion

    Patentiertes Leben

    Der überholte Mensch

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  • Wir sind bei den Geistern und haben uns mit ihnen eingeschlossen in den Schneewittchensarg der symbolischen Systeme, in dem der Tod am Leben und das Leben tot ist, in dem die Verheißung des Lebens, die organische Faktizität des Körpers, auf die symbolische Faktizität der digitalen Maschine übertragen worden ist.

    Schnneewittchensarg

    Reichsparteitag

    Nullachtfuffzehn

    Organisierte Verantwortungslosigkeit

    Marktpenetration

    Gesellschaftskörper

    Ausstattungsidentität

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