Avsnitt

  • Die gleichzeitige Anwesenheit alles je Geschaffenen, so haben die mittelalterlichen Theologen gelehrt, ist die Hölle. Unter diesen Auspizien kann das Internet als ein Ort der Weltverstopfung, als digitale Hölle aufgefasst werden. Denn das Netz vergisst nicht. Und auch wenn der Betreiber dieses oder jenes Servers Sorge trägt, seinen digitalen Vorgarten frei von Verunreinigungen zu halten, trägt die Proliferationslogik des Netzes dazu bei, dass jeder Dateneintrag tendenziell einen Ewigkeitswert erhält.

    Logik der Zersetzung

    Die große Flut

    Totalliquidation

    Aufmerksamkeitsökonomie

    Scheinproduktion

    Patentiertes Leben

    Der überholte Mensch

    Vorherige Kapitel



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  • Wir sind bei den Geistern und haben uns mit ihnen eingeschlossen in den Schneewittchensarg der symbolischen Systeme, in dem der Tod am Leben und das Leben tot ist, in dem die Verheißung des Lebens, die organische Faktizität des Körpers, auf die symbolische Faktizität der digitalen Maschine übertragen worden ist.

    Schnneewittchensarg

    Reichsparteitag

    Nullachtfuffzehn

    Organisierte Verantwortungslosigkeit

    Marktpenetration

    Gesellschaftskörper

    Ausstattungsidentität

    Vorherige Kapitel



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  • Saknas det avsnitt?

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  • Mögen die Klagen über die Einbuße an Liberalität und Toleranz, ja, über die Probleme der Cancel Culture unterdessen Legion sein, bleibt die grundsätzlichen Frage, was es mit der Hypermoralität auf sich hat, zumeist unerhellt. Genau hier aber setzt Michael Andrick an, der in seinem jüngst erschienenen Buch Im Moralgefängnis das Leben daselbst einer gründlichen, philosophisch unterfütterten Untersuchung unterzieht. Der große Vorzug dieses Zugangs ist, dass er sich aller Wertung enthält und sich stattdessen mit den Eigendynamiken und Konsequenzen der moralischen Aufladung beschäftigt. Genau dies aber macht die Gefahren deutlich, die damit verbunden sind. Ein Zuviel von jenem Moralin (das schon Nietzsche antizipiert hat) erzeugt Moralitis – und diese wiederum schlägt sich als Vergiftung des öffentlichen Diskurses nieder.

    Michael Andrick ist Philosoph, Kolumnist und im Brotberuf Manager bei einem großen Unternehmen. Seit 2021 schreibt er für die Berliner Zeitung eine monatliche Philosophische Kolumne. Seine beiden Bücher Im Moralgefängnis sowie Erfolgsleere wurden weithin rezipiert.

    Von Michael Andrick sind erschienen

    Themenvwerwandt



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  • Hydra ist die Tochter des Typhon, des Vaters aller Monster, und der Echidna, der Mutter aller Monster. Sie bewohnt den lernäischen Sumpf. Hier bewacht sie ein unterseeisches Tor, das zur Unterwelt führt. Ihr Blut ist giftig, selbst die Spuren, die sie hinterlässt, sind giftig. Die Griechen sagten, sie habe mehr Köpfe, als die Vasenmaler malen konnten. Schlägt man einen ab, wachsen zwei wieder nach.

    Hydra

    Draculas Vermächtnis

    Kernspaltung

    Pandemie

    Im Arbeitsspeicher

    Vorherige Kapitel

    Vorherige Kapitel



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  • Am Anfang war die Null und die Null war bei Gott und Gott war die Eins. Die Null und die Eins waren im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dieselben gemacht und ohne dieselben ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihnen war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat’s nicht begriffen.

    1 Boole und die Formel

    2 Im Dark Room der Geschichte

    3 God is a DJ

    4 Alles wird Schrift

    5 Unendliche Potenz



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  • Ein Gespräch mit Dirk Höfer ist schon deswegen nichts Ungewöhnliches, weil wir seit langer Zeit freundschaftlich verbunden sind, zusammen gearbeitet, darüber hinaus ein Buch miteinander geschrieben haben: Alles und Nichts. Ein Pandämonium digitaler Weltvernichtung. Und weil dies fast eine Dekade zurückliegt, lässt sich die Unterhaltung als ein post mortem auffassen, ein Rückblick auf eine gemeinsame Erkundungsreise, die insofern ungewöhnlich ist, als sie sich auf das Unpersönlichste bezieht, das man sich vorstellen kann. Was das ist? Eine mathematische Formel, jene Formel zudem, die unserer digitalen Welt zugrundeliegt:

    x=xn

    Nun gehört es zu den Sonderbarkeiten unserer Zeit, dass zwar jedermann mit der Boole’schen Logik vertraut ist und die Booleans zu den Grundbausteinen der Programmierung gehören, dass aber ihr Urheber ebenso wie die gedankliche Begründung dieser Formel im Dunkeln liegen. Dass selbige selbst den Angehörigen der Programmiererzunft unbekannt ist, war die Verwunderung, die zu dem gemeinsamen Buchprojekt geführt hat. Nun hätte man sich anheischig machen können, dem Stifter dieser Formel, George Boole, der sie in seinen 1854 erschienenen Laws of Thought dargelegt hat, ein Denkmal zu setzen – aber eine solche philologische Ehrenrettung wäre doch, so berechtigt sie sein mag, an dem Rätsel selbst vorübergegangen. Der Frage nämlich, wie es möglich sein kann, dass eine Gesellschaft, welche die Beiträge all ihrer Geistesgrößen, ja selbst der bescheidensten Geister, penibel dokumentiert, manche ihrer tragenden Säulen übersehen will. Dies ist umso erstaunlicher, als man es bei der Digitalisierung ja nicht mit einer Orchideenwissenschaft zu tun hat, sondern mit einer nicht-enden-wollenden Serie von Erschütterungen, welche lange für stabil, ja für unumstößliche gehaltene Gewissheiten schleift. Genau das war der blinde Fleck, den wir in endlosen Gesprächen (und großer Weinseligkeit) versucht haben einzukreisen − woraus das Projekt erwuchs, diese Formel, und mit ihr ein gesellschaftliches Unbewusstes, ins Licht zu rücken.

    Nun hat das Buch einige Übersetzungen erfahren, gleichwohl ist es immer noch so, dass die Formel − als symbolische Form begriffen – ein philosophischer Fremdkörper geblieben ist. Und deswegen werden in den nächsten Wochen die einzelnen Buchkapitel den Lesern von ex nihilo als Audiostücke zugänglich gemacht.

    Und was zu Dirk Höfer zu sagen ist? Nach dem Studium der bildenden Kunst – und einem wachsenden Zweifel am Kunstbetrieb – war er lange Zeit als Redakteur bei Lettre International tätig. Seit 2014 ist er Übersetzer und widmet sich, als großer Connaisseur der Naturhistorie und der Anthropologie, ungewöhnlichen Literaturprojekten. Er übersetzte unter anderem Edward Abbey, Anna Lowenhaupt Tsing, François Augiéras und Nick Land.

    Themenverwandt



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  • here is a link to the English presentation text

    L’imagination au pouvoir!

    Institutionen schaffen Schattenräume, in denen nichts zu sehen ist und keine Fragen gestellt werden. (Mary Douglas)

    Das folgende Video ist die Visualisierung eines Vortrages, den ich im Jahr 2018 im Konzertsaal des Deutschlandfunks in Köln gehalten habe. Der Redakteur, der mich zu diesem Vortrag zum 50jährigen Jubiläum der Studentenrevolte eingeladen hatte, hatte mein kleines Büchlein zur Kulturrevolution von 68 gelesen – und so wurde die zahlreiche, betagte Zuschauerschar, die sich dort eingefunden hatte, um ihre ewige Jugend zu feiern, mit einer höchst ungewöhnlichen Geschichtsdeutung konfrontiert. Was mich um 2007 herum veranlasst hatte, mich diesem Thema zuzuwenden, war eine große Irritation, die sich im Laufe meiner Zeitreisen in die Kulturgeschichte zu einem regelrechten Verdacht ausgewachsen hatte: nämlich dass eine jede Gesellschaft sich über ihre Fundamente im Unklaren ist. Und dass selbst eine aufgeklärte Epoche, statt sich der nüchternen Realitätsschau zu widmen, sich in einen heroischen Gründungsmythos hinein flüchtet, war eine Einsicht, die sich bei der Beschäftigung mit den historischen Quellen von 1967 geradezu aufdrängte. In diesem Sinne war die Studentenrevolte weniger Ursache denn Symptom – und zwar eines, das an den tatsächlichen Triebkräften des Gesellschaftswandels vorübergegangen war, großspurig, enthusiastisch und zeitvergessen. Was meine bedauernswerte Zuschauerschar mit einer wahrhaft deprimierenden Einsicht konfrontierte:

    Stell dir vor, es war Revolution, aber niemand war da!

    Themenverwandt



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  • Wie verpasst man die Zukunft? Vielleicht am besten dadurch, dass man sich gar nicht erst auf sie einlässt. Es ist dieser Vermeidungsimpuls, dem sich Thomas Druyen entgegenstemmt, indem er das klassische Aus-der-Vergangenheit-Lernen invertiert und den Bezugsrahmen stattdessen auf das Künftige richtet. Nicht die Tradition ist die Richtschnur, sondern die Frage, inwieweit sich eine erwünschte Zukunft realisieren lässt – eine Umkehrung, die im digitalen Zeitalter nachgerade eine Gedankennotwendigkeit darstellt. Oder wie Steve Jobs es in schöner Kürze gesagt hat:

    Der Computer ist die Lösung. Was wir brauchen, ist das Problem.

    Der Weg wiederum, der Thomas Druyen in die Zukunft geführt hat, war in mancherlei Hinsicht durchaus ungewöhnlich. Er begann mit der simpel anmutenden Frage, was denn eigentlich Vermögen ist. Urplötzlich fand sich der junge Professor in einem Themengebiet, welches ihn mit der Welt der Superreichen und einem blinden Fleck der soziologischen Forschung konfrontierte – eine Aufgabe, der er sich in zahllosen Interviews unterzog und die zur Gründung des Institutes für Vermögenskultur und Vermögenspsychologie führte. Dass diese Institution bei ihrer Gründung mit den Briefen junger Frauen überhäuft wurde (à la „Wie angelt man sich einen Millionär?“), war ein großartiger Beleg dafür, dass und in welchem Maße die Vermögenspsychologie noch immer ein gesellschaftliches Rätselbild darstellt. An der Sigmund Freud-Universität jedoch wandte sich Druyen zunehmend der Frage der Zukunftsgestaltung zu, genauer: den tiefen Problemen, welche die Zukunft der Digitalisierung für das sicherheitsorientierte, deutsche Mindset darstellt. Denn was gestern als Erfolgsrezept galt, mag heute eher ein Hindernis darstellen, wenn es nicht gar der Vorbote nahenden Unheils ist. Im Angesicht jener digitalen Umwälzung (die man gemeinhin mit dem Epitheton des Disruptiven belegt) ist die Umkehrung des Zeithorizonts ein intellektueller Akt, der das Denken davor bewahrt, sich mit der Diagnose eines wie auch immer gearteten Post zu begnügen (sei es nun postmoderner, postdemokratischer oder postfaktischer Provenienz).

    Thomas Druyen lehrt Vermögenspsychologie und Vermögenskultur an der Sigmund-Freud Privatuniversität in Wien und ist Vorstand des Instituts für Zukunftspsychologie und Zukunftsmanagement.

    Bücher

    Themenverwandt



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  • Man könnte Yascha Mounk einen Spezialisten des Grenzganges nennen, hat er sich doch – mit großem Geschick und intellektuellem Mut – auf schwierigste Themen eingelassen: die Frage der Migration, den Zerfall der Demokratie in den Zeiten des Populismus, das Schwinden des Gemeinsinnes im Neoliberalismus. In diesem Sinne, unerschrocken und maßvoll zugleich, hat er sich mit seiner Identity Trap (auf Deutsch: Im Zeitalter der Identität) an die Entzauberung jener sonderbare Identitätsideologie gemacht, die im Versuch vergangenes Unrecht wettzumachen sich in die ärgsten Widersprüche verstrickt hat – oder wie Mounk es nennt: die in eine Identitätsfalle hineingetappt. ist Und weil man hier das, was man doch beseitigen möchte, hinterrücks wiederauferstehen lässt, führt die Erinnerung an das weiße Privileg und der strategische Essentialismus der Identitätspolitik nicht selten dazu, dass man die rassische Segregation zum Leben erweckt. Damit aber ist das Kostbarste beerdigt, was der Liberalismus hervorgebracht hat: nämlich die Idee des Universalismus. Mag dieser in der Geschichte ein nicht zur Gänze eingelöstes Versprechen gewesen sein, so bleibt er doch ein erstrebenswertes Ideal, ein Ideal zudem, das einen sehr viel offeneren Weltblick gestattet als ein Denken, das sich im Ressentiment und in Tribalismen verliert.

    Nun ist das Bashing der gegnerischen Position Yascha Mounks Sache nicht. Vielmehr verfährt er wie ein Anatom, der seinen Gegenstand sorgfältig zerlegt – und dem es vor allem um das Verständnis der Sache geht. Folglich zeichnet sein Buch das Entstehen dieser Ideologie nach, hat er neben dem Recycling Foucault’scher Diskursbruchstücke auch die Rolle der sozialen Medien im Blick. Und genau das macht das Gespräch über seine Identity Trap zu einem intellektuellen Vergnügen.

    Yascha Mounk ist Acssociate Professor of the Practice of International Affairs an der Johns Hopkins University in Washington, D.C. Im Jahr 2020 gründete er Persuasion, ein Online-Magazin, das sich der Verteidigung der liberalen Werte verpflichtet fühlt.

    Themenverwandt



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  • Michael Seemann ist ein Kind der Netzkultur, ein Blogger und Podcaster der ersten Stunde – der 2010 unter dem schönen Titel ctrl+verlust einen Blog für die FAZ startete und dann in Eigenregie weiterführte. Als gefragter Redner bei den einschlägigen Konferenzen, aber auch als Experte bei Bundestagsanhörungen, rechnet sich Seemann selbst der digitale Bohème zu. Nichtsdestotrotz ist er überaus ernsthaft, was die politischen und untergründigen Implikationen der Netzkultur anbelangt. Dies hat zu einem Nachdenken über die Macht der Plattformen angeregt und seinen Blick auf den sich abzeichnenden Krypto-Hype geschärft. Und so ist (neben einer Videopremiere bei ex nihilo) ein höchst anregendes Gespräch über die Bitcoin-Blase, den Netzwerkeffekt und den Kontrollverlust der klassischen Institutionen entstanden. Höchst apart auch der Auftritt eines neuen Mitbewohners aus dem Hause Seemann, einen kleinen spanischen Hund, der die Aufmerksamkeit seines Herrchen einforderte.

    Von Michael Seemann sind als Buchpublikationen erschienen:

    Themenverwandte Gespräche

    Ein Video zu Robert Metcalfe und der Frage des Netzwerkeffekts



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  • Hat sich die Gesellschaft im Zuge der sexuellen Revolution ihrer Hemmungen entledigt, in einem solchen Maße, dass auch der Trash Factor zu einer vergnüglichen Angelegenheit werden kann, hat sich in den letzten Jahren eine merkwürdige Verschiebung ereignet. Urplötzlich nämlich hat die Scham die öffentliche Bühne erobert. Nicht bloß ist das shaming, in den sozialen Medien zumal, zu einer verbreiteten Praxis geworden, zudem spricht man von Flug-, Fleisch- oder Plastikscham. Die sonderbarste Volte aber findet sich in der Fremdscham, die im Zeichen des cringe zur Signatur einer ganzen Jugend geworden ist. Nicht ganz zufällig bemerkt Robert Pfaller dazu:

    So schämen sich immer mehr Menschen für immer mehr Dinge, die es entweder zuvor nicht gab oder mit denen sie früher vielleicht ohne Bedenken und ohne schmerzliche Konsequenzen gelebt hätten; ja sogar für Dinge und Handlungen, auf die sie – wie beim Tragen von Pelzmänteln, im Besitz eines Hauses oder beim Verpacken von Geschenken – früher wohl stolz gewesen wären.

    Mag die Scham eine Form der postmodernen Allgegenwart angenommen haben, so stehen die Theorien dazu auf höchst wackligen Füßen. Genau dies ist der Grund, warum Robert Pfaller sich dieses Themas angenommen und ein Buch geschrieben hat, das Zwei Enthüllungen über die Scham verspricht. Es ist der höchst anregende Versuch, jenseits von Anthropologie und klassischer Psychoanalyse die Frage der Scham in den Blick zu bekommen. Und dies wiederum führt, wie könnte es anders sein?, zu höchst vergnüglichen Betrachtungen zu Cary Grant und zu einem eingefrorenen Clint Eastwood-Paket.

    Robert Pfaller lehrt Philosophie und Kulturwissenschaft an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Mit einem psychoanalytischen Blick begabt, hat er eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die sich kritisch mit Gegenwartsphänomen auseinandersetzen – der Infantilisierung der Politik beispielsweise.

    Themenverwandt



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  • Guillaume Paoli ist ein überaus anregender Gesprächspartner, schon deswegen, weil er über das seltene Vermögen verfügt, die Wendungen des Spätkapitalismus in ihrer ganzen psychischen Abgründigkeit zu entziffern. Und weil er, anders als die meisten postmodernen Zeitgenossen, auf seiner Entfremdung beharrt, ist er niemals auch nur in Versuchung geraten, den neoliberalen Kurzschlüssen Folge zu leisten. Ganz im Gegenteil. Denn als die gesellschaftlichen Selbstoptimierer die Ich-AG ins Leben riefen, begann Paoli über die Notwendigkeit einer gründlichen Demotivation nachzudenken – eine geistige Intervention, die den selbsternannten Demotivationstrainer die Bewegung der glücklichen Arbeitslosen und das Persönlichkeitsideal des Müßiggangsters ins Leben rufen ließen. Von 2008 bis 2013 hatte Guillaume Paoli im Leipziger Centraltheater die Rolle eines Hausphilosophen inne - was den unruhigen Geist indes nurmehr noch in seiner Bestimmung bestärkte. Und weil Guillaume Paoli sich nicht scheut, gesellschaftliche Dunkelzonen ins Auge zu fassen, hat er sich auch der französischen Gelbwestenbewegung angenommen – eine Analyse, die schon deswegen bemerkenswert ist, weil diese Protestbewegung unter dem Slogan „Ihr denkt ans Ende der Welt, wir ans Ende des Monats“ etwas Präzedenzloses in die Welt gesetzt hat: eine Art Flashmob, eine situationistische Volksbewegung. Nimmt man all diese Dinge zusammen, könnte man Guillaume Paoli als Anthropologen des Spätkapitalismus begreifen. Von daher ist es kein Zufall, dass seine letzte Publikation sich damit beschäftigt, das Verhältnis von Geist und Müll zu sondieren - weswegen eine philosophische Unterhaltung mit ihm fast notwendig auf eine Form der geistigen Mülltrennung hinausläuft. Hat man ihm deswegen eine allzu pessimistische Weltsicht unterstellt, war unser Gespräch von einer großen Leichtigkeit - ja, von einer Heiterkeit, die ganz vergessen lässt, dass man sich durchaus dunkler Fragen annehmen muss.

    Von Guillaume Paoli sind u.a. erschienen

    Themenverwandte Gespräche



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  • Wenn in einem der wunderbaren Gespräche mein Gesprächspartner mich mit der Aussage überrascht hat, er sei ein Zeitgenosse Shakespeares, so könnte diese Verwirrung der Maßstäbe (Fair is foul, and foul is fair!) als Leitmotiv über der Unterhaltung stehen, die ich mit Wolfgang Herles geführt habe – war sie doch ganz dem Rätseln darüber gewidmet, wie jemand, der tief in der Mitte der Gesellschaft beheimatet war, sich plötzlich in der Randständigkeit wiederfinden konnte. Oder wie Wolfgang Herles in einem Stoßzeufzer selbst artikuliert: „Ich habe mich wie ein Fisch im Wasser gefühlt. Aber jetzt habe ich das Gefühl, als hätte man mir das Land unter dem Arsch weggezogen.“ Für Wolfgang Herles liegt die Ursache dieser Entfremdung in der Entstehung der Berliner Republik, die Konsens nur dadurch herzustellen vermochte, dass sie auf die Errungenschaften des offenen Diskurses verzichtete (was der Leiter des Sendeformats „Bonn direkt“ mit einer Zwangsversetzung in die Kultur bezahlen musste). Nun ist dem, nach eigenem Bekunden, „geborenen Skeptiker“ nichts mehr zuwider als der schweigende Konformismus – und so versteht sich Herles jüngstes Buch als Anstiftung zu einer bürgerlichen Revolution – und trägt den leicht ironischen Titel „Mehr Anarchie, die Herrschaften!“. Nun mag der deutsche Untertanengeist ein Grund für die Anpassungsbereitschaft des Publikums sein, aber ein zweiter ist gewiss die Stromlinienverformung der Öffentlichkeit, der Herles vor einiger Zeit sein Buch „Die Gefallsüchtigen“ gewidmet hat – und weil dies ein wiederkehrendes Motiv auf ex nihilo ist, geht die Unterredung der Frage nach, welche psychosozialen Auswirkungen die Quote auf die Öffentlichkeit gehabt hat und worin die Verwerfungen bestehen, die uns zu Zeitgenossen Shakespeares machen.

    Wolfgang Herles war als Journalist und Frontmann der Sendung „Bonn direkt“ ein Chronist der Bonner Republik, später dann Talkshowmoderator und Leiter verschiedener Kultursendungen (von den „aspekten“ , den „Schrifttypen“ bis hin zum „Blauen Sofa“).

    Von Wolfgang Herles sind u.a. folgende Bücher erschienen

    Themenverwandt



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  • Gelegentlich kann es passieren, dass die Welt aufwacht und begreift, dass sie eine andere geworden ist – und zweifellos reiht sich der 7. Oktober in die Liste jener Tage ein, die unser Bild von der Welt verändert haben. Anderseits lässt die Plötzlichkeit eines solchen Schocks darauf schließen, dass man sich zuvor einem langen Schlaf hingegeben haben muss. Matthias Küntzel jedoch ist, was derlei Wachträume und das Sich-in-falscher-Sicherheit-Wiegen, anbelangt, eine rühmliche Ausnahme. Denn auch wenn es politisch nicht opportun gewesen sein mag, hat ihn sein Nachdenken über 9/11 doch dazu geführt, sich Gedanken über den muslimischen Antisemitismus zu machen. Die Einsichten, zu denen ihn diese Beschäftigung geführt hat, sind in höchstem Maße beunruhigend. Denn sie führen in die Untiefen des deutschen Antisemitismus hinein. Denn der Großmufti von Jerusalem, Amin al-Husseini, der zugleich der Lehrer und Förderer Jassir Arafats war, war ein Vertrauter Hitlers und ein großer Anhänger des deutschen Holocaust. Und dass er, der 1946 als Kriegsverbrecher angeklagt wurde, zum Führer der Palästinenser werden und in dieser Funktion die friedliche Zwei-Staaten-Lösung hintertreiben konnte, markiert den Beginn jener Tragödie, die bis beute andauert. Was an der Karriere dieses Mannes am merkwürdigsten ist, ist weniger sein atavistisch-apokalyptisches Weltbild, als der Umstand, dass ihn das deutsche Radio zu einem Radiostar gemacht hatte. So wurde der erstarkende muslimische Antisemitismus aus Berlin koordiniert, genauer: aus dem sechzig Kilometer südlich gelegenen Zeesen, wo ein Kurzwellenrundfunksender die arabische Welt mit antisemitischen Propagandasendungen überzog - ein Dauerfeuer, das in einer weitgehend noch immer analphabetischen Gesellschaft jene unselige Wirkung entfaltete, der wir heute in Israel, aber auch in Europa fassungslos gegenüberstehen.

    Matthias Küntzel, der seine Karriere als wissenschaftlicher Mitarbeiter der ersten Grünenfraktion im deutschen Bundestag begann, hat sich als Historiker intensiv mit dem nahen Osten, aber vor allem mit der Geschichte des islamischen Antisemitismus beschäftigt. Er zählt mit Jeffrey Herf zu den wenigen, die dieser politisch doch so brisanten Frage eine historische Untersuchung haben angedeihen lassen.

    Von Matthias Küntzel sind u.a. erschienen:

    Themenverwandt



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  • Michael Wolffsohn ist ein unendlich geduldiger, höflicher Mensch – weswegen es ihm gar nicht schwer fällt, seinen eilends in Gedankensprüngen vorpreschenden Gesprächspartner freundlich darin zu erinnern, dass er, Wolffsohn, nur ein „Barfußphilosoph“ sei. Was aber, in Anbetracht jenes großen Projekts, das er sich mit seiner anderen jüdischen Weltgeschichte vorgenommen hat, vor allem eine große Untertreibung ist. Denn Wolffsohn führt seinen Leser in einer tour d’horizon durch epochenübergreifende Geschichtsräume hindurch, genauer: er führt ihn in jene Katakombenwelt, in der man der jüdischen Minorität nur eine ›Existenz auf Widerruf‹ zugestanden hat. Und dieser Blick bringt eine Reihe von überraschenden Einsichten mit sich, die umso überzeugender sind, als Wolffsohn in keinem Augenblick der Versuchung übermäßiger Moralisierung erliegt. Letztlich begreift er den Antisemitismus vor allem als gesellschaftliches Selbstzerstörungsprogramm – ganz im Sinne Tocquevilles, der sich mit diesem Satz von seinem Führer Napoleon trennte: »Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war eine Dummheit.« Wenn der Antisemitismus unterdes eine unheimliche Salonfähigkeit angenommen hat, ja, wenn ein großer Teil der französischen Juden ihre Heimat verlassen hat, so ist dies nicht nur ein Beleg dafür, dass in der Gegenwart erneut dunkle Wolken aufziehen, es lässt vor allem an der Rationalität der Zeitgenossen zweifeln. Aber weil bei Wolffsohn trotzdem allem das Lebensbejahende überwiegt, kann dem Stoßseufzer »Der Mensch ist ein schreckliches Wesen« nur ein großes Gelächter nachfolgen. Und so war das Gespräch mit ihm, auch wenn es die dunkelsten Seiten der Geschichte nicht ausgespart hat, von einer wunderbaren Leichtfüßigkeit.

    Michael Wolffsohn, Historiker und Publizist, lehrte von 1981 bis 2012 Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München.

    Von Michael Wolffsohn sind unter anderem erschienen

    Themenverwandt



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  • Das Schlusskapitel der Philosophie der Maschine beschäftigt sich mit der Frage, welche Konsequenzen die Wahrnehmung der Maschine für die Philosophie hätte – und reagiert damit auf jene Erschütterung, die bereits Heidegger heimgesucht hat, als er nach der Konfrontation mit dem Denken eines Kybernetikers wie Gotthard Günther einen kleinen Aufsatz mit dem Titel schrieb: »Das Ende der Philosophie und die Aufgabe des Denkens«. Worin also besteht die Aufgabe des Denkens, wenn die Philosophie zuende ist? Und es ist genau diese Frage, welche erklärt, warum meiner Philosophie nun eine Psychologie der Maschine nachfolgt.

    Zum Nachhören

    Philosophie der Maschine 17

    Philosophie der Maschine 16

    Philosophie der Maschine 15

    Philosophie der Maschine 14

    Philosophie der Maschine 13

    Philosophie der Maschine 12

    Philosophie der Maschine 11

    Philosophie der Maschine 10

    Philosophie der Maschine 9

    Philosophie der Maschine 8

    Philosophie der Maschine 7

    Philosophie der Maschine 6

    Philosophie der Maschine 5

    Philosophie der Maschine 4

    Philosophie der Maschine 3

    Philosophie der Maschine 2

    Philosophie der Maschine 1

    hier der Link zur Publikation bei Matthes & Seitz



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  • Ungeheuer der Vernunft. Anders als das Freud'sche Unbewusste, das eine biologische Grundausstattung darstellt – die »Urhorde in uns«, wie es bei Freud heißt –, ist die Maschine ein ausgelagertes Unbewusstes, eine Größe, die sich mit jedem Schreibakt wiederholt, mit jedem Geldstück ihren Besitzer wechselt, sich in metaphorischer Form auf andere Bereiche überträgt und schließlich in den Institutionen, Praktiken und Glaubensvorstellungen einer Gesellschaft zu pulsieren beginnt.

    Da sich das Buch dem Ende zuneigt, kommt die Grundthese in Sicht (die zugleich das Leitmotiv der “Psychologie der Maschine” darstellt) - nämlich dass die Maschine als ein historisches Unbewusstes aufzufassen ist, das seinerseits ein kollektives Gedankengeflecht, ein Psychotop aufspannt.

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    Philosophie der Maschine 1

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  • Der Druck der Chips ist für die Moderne, was die Gutenberg’sche Drucktechnik für die Schreibtechniken des Mittelalters war: der Augenblick, da die Einbildungskraft freigesetzt wird. Auf die gleiche Weise, wie sich das Aleph-Zeichen aus der Natur herauslöst, löst sich der von der Software aufgespannte virtuelle Raum von allen Begrenzungen der Materialität

    Das Kapitel erzählt die Geschichte, die gemeinhin in der Blackbox der Abstraktion einfach verschwindet - und dass man hier nicht der Maschine, sondern höchst sonderbaren, eigensinnigen Menschen begegnet (wie Ada Lovelace, die als “Braut der Wissenschaft” sich berufen fühlte, “künftigen Generationen einen Calculus des Nervensystems zu hinterlassen”.

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    Philosophie der Maschine 15

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    Philosophie der Maschine 1

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  • Dass in der einst von Habermas aufgerufenen neuen Unübersichtlichkeit die Verhältnisse so durcheinander geraten sind, dass die Prophezeiungen der Macbeth-Hexen zum alltäglichen Grundrauschen geworden sind (Fair is foul, and foul is fair), ist ein Umstand, der die Philosophie auf den Plan ruft - in diesem Falle die amerikanische Philosophin Susan Neiman, die ein Buch mit dem Titel Links ist nicht woke verfasst hat. Darin geht sie den philosophischen Wurzeln dieses Denkens nach, das sich als progressiv gebärdet, aber, wenn man seinen philosophischen Wurzeln auf den Grund geht, tatsächlich einer eminent reaktionären Denkrichtung zum Durchbruch verhilft. Dass Michel Foucault (oder genauer: sein posthumer Schatten) zum spiritus rector des woken Denkens geworden ist, hat sich herumgesprochen; sehr viel dunkler hingegen ist, dass auch der Kronjurist des Nationalsozialismus, Carl Schmitt, als Souffleur unter dem Bühnenboden der Gegenwart hockt. Was diesen beiden Geistern gemein ist, ist, dass sie sich, jeder auf seine Weise, ganz der Macht verschrieben haben. Das sich der eine (Foucault) als Dämonologe, der andere (Schmitt) als Apologet gebärdet, verschlägt dabei nicht viel – denn die Fokussierung auf die Macht lässt das Gesellschaftgetriebe als eine Art verdeckten Bürgerkrieg erscheinen. In das gleiche Horn stößt die in den letzten Jahren zu Ansehen gekommene Evolutionspsychologie, die das Weltgeschehen auf die eigennützigen Gene reduziert. Es ist ein besonderer Verdienst Susan Neimans, dass sie sich dieser verdeckten Grundlagen angenommen hat. Denn ihr gelingt, woran der zeitgemäße Liberalismus scheitert, dort jedenfalls, wo er in der moralische Empörung über die moralische Empörung, über Wokistan und die Cancel Culture verharrt. - Damit die Zuschauer sich dem Lektüre-Genuss dieses Buches überlassen, dreht sich das Gespräch mit Susan Neiman vor allem um die Frage, welcher Art das Befremden war, dass sie, die sich zeitlebens als Linke verstanden hat (»Das Herz schlägt links«) zur Kritik an Denke Wokistans veranlasst hat. Tatsächlich ist das woke Ressentiment, das der Aufklärung, dem Universalismus und dem Fortschritt den Prozess machen will, vielleicht am präzisesten als Ausdruck einer geistigen Atomisierung zu sehen, als begriffsloser Kampf gegen eine verlorene Zukunft, ein Unbehagen in der Moderne. Oder wie Susan Neiman selber sagt:

    Gibt man die Aussicht auf einen Fortschritt aber auf, wird Politik zum reinen Machtkampf.

    Susan Neiman, die als Schülerin von John Rawls tief in der politischen Philosophie beheimatet ist, ist Direktorin am Einstein Forum in Potsdam. Sie hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht, die sich um die Frage der Aufklärung, das Böse und die Frage der deutschen Holocaust-Aufarbeitung drehen.

    Von Susan Neiman sind u.a. folgende Bücher erschienen:

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  • Wenn es in der Ökonomie den Konterpart des Kriegsphotographen gäbe, so könnte man Thomas Mayer einen ›Physiognomen des Crashs‹ nennen, nicht zuletzt auch deswegen, weil seine Biografie ihn mehrfach ins Auge des Sturms hineingeführt hat. Nach dem Berufseinstieg ins Kieler Instituts für Weltwirtschaft gelangte der junge Volkswirt zum Internationalen Währungsfond, danach zu Goldman Sachs und zu Salomon Brothers, wo er beobachten konnte, wie Nobelpreisträger und mit Preisen geadelte Genies den LTCM-Fonds in gigantische Verluste hineinstürzten. Nach diesem Vorspiel, dem die Dotcom-Blase nachfolgte, konnte Mayer als Chief European Economist und Co-Head of Global Economics der Deutschen Bank in London beobachten, wie sich die Subprime-Krise aufbaute und schließlich explodierte – ein Vorgang, der für ihn so etwas wie ein „persönlicher Weckruf“ war. Zum Chefvolkswirt der Deutschen Bank Gruppe avanciert, ließ er der Krise eine Reihe von tiefsinnigen Betrachtungen und Büchern folgen. Und obschon Mayer noch immer der Sozialphilosophie des Friedrich von Hayek anhängt, kommt er nicht umhin, dem Gros seiner Zunftgenossen eine Form des Wirklichkeitsverlustes zu bescheinigen, welcher im Wortsinn zu einer Entwertung der Werte geführt habe. Den Grund dafür sieht er in dem Vertrauen in das Financial Engineering, der irrigen Hoffnung, dass sich die radikale Unsicherheit einfach aus der Welt herausrechnen ließe. Und weil ihn sein Nachdenken längst über die Grenzen des Wirtschaftens hinausgeführt hat (und zunehmend Philosophen oder Soziologen seine Texte bevölkern), gestaltet sich ein Gespräch mit ihm wie ein Rundflug über die Zeiten und Gesellschaftsgebilde hinweg.

    Thomas Mayer leitet nach seinem Ausscheiden aus der Deutschen Bank das Flossbach von Storch Research Institute, die Denkfabrik des Vermögensverwalters Flossbach von Storch AG. Zugleich bekleidet er eine Honorarprofessur an der Universität Witten-Herdecke.

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