Avsnitt
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Feuerbachs Religionskritik ist eine der einflussreichsten und lehrreichsten Auseinandersetzungen mit dem Christentum in der Neuzeit. Trifft er den Nagel auf den Kopf – oder zielt er daneben?
Er ist eine besonders eigenwillige und leidenschaftliche Gestalt in der neueren Philosophiegeschichte: Ludwig Feuerbach (1804–1872) wächst in gutbürgerlichen, pietistischen Verhältnissen auf und wendet sich nach enttäuschenden Erfahrungen mit der Theologie der Philosophie zu – konkret der Philosophie Hegels, den er in Berlin auch live zu hören bekommt. Feuerbach zählt zu den Linkshegelianern, und besonders seine Religionskritik wird über die Vermittlung von Karl Marx im Marxismus sehr einflussreich.
Nach Feuerbachs Überzeugung führt die Religion den Menschen zur Entfremdung von sich selbst: Der Mensch sehnt sich nach Unendlichkeit, er wünscht sich Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart – und projiziert diese Wünsche an den Himmel, auf die Person Gottes. Dabei verpasst er gerade die entscheidende Einsicht, dass er zwar nicht als Einzelperson, wohl aber als Gattung eben jene Eigenschaften selbst besitzt und zur Besserung der irdischen Verhältnisse einsetzen könnte. Feuerbach versteht den Gottesglauben als großen Verhinderer der Besserung des Menschen und der gesellschaftlichen Veränderung. Erst wenn der Mensch seinen Glauben an Gott fallen lässt und durch den Glauben an das Potenzial der Menschheit ersetzt, findet er wieder zu sich selbst.
Für das Menschenbild Feuerbachs ist aber auch eine anti-rationalistische (und anti-hegelianische) Spitze entscheidend: Der Mensch ist nicht zuerst und zutiefst Vernunftwesen, und der Verstand ist auch nicht geeignet, den Zugang zur Wirklichkeit herzustellen. Vielmehr muss der Mensch seine eigene Körperlichkeit und Sinnlichkeit wiederentdecken – die Sinne, die Leidenschaften schließen uns die Welt auf und machen uns glücklich. Und glückliche Menschen, dessen ist sich Feuerbach gewiss, werden auch Gutes zum Wohl der ganzen Menschheit tun. Gerade die philosophische und theologische Leibfeindlichkeit und Verleugnung der Sinnlichkeit macht Menschen unglücklich und damit auch böse.
Manuel diskutiert mit Peter die wichtigen Weichenstellungen im Denken Feuerbachs – und sie fragen sich, was sich von Feuerbach heute lernen lässt, gerade auch christlich und theologisch. Hat Feuerbach mit seiner Projektionsthese nicht doch etwas Richtiges gesehen? Läuft ein Glaube, der auf Bedürfnisbefriedigung und Wunscherfüllung ausgerichtet ist, Feuerbach nicht zu Recht ins Messer? Und passt das Leben und der Tod von Jesus von Nazareth zu dieser Gotteskritik? -
Für Johann Gottfried Herder (1744–1803) war die Sprache das herausragende menschliche Kulturerzeugnis. In der Sprache verdichtet sich die Weltwahrnehmung des Menschen – eine Einsicht, die bis heute revolutionäre Konsequenzen hat…
Die deutsch-türkische Autorin Kübra Gümüşay berichtet in ihrem Buch «Sprache und Sein» von einer nächtlichen Begebenheit am Meer: Ihre Großmutter macht sie auf das wunderschöne «Yakamos» aufmerksam – aber sie kann im Dunkel der Nacht nichts erkennen. Erst als ihr die Mutter erklärt, dass dieser türkische Ausdruck die Wiederspiegelung des Mondlichtes im Meer bezeichnet, erblickt sie das entsprechende Phänomen.
Und ein folgenschwereres Beispiel: Die Etablierung des Begriffs der «sexuellen Belästigung» war offenbar entscheidend, um weitreichende Erfahrungen von Frauen auf einen Begriff zu bringen. Erst als es ein Wort dafür gab, wurde das Unbehagen, der Ekel, die Angst und viele andere Gefühle aufgeschlossen, welche Frauen in übergriffigen Begegnungen mit Männern empfanden, aber vorher nicht angemessen verbalisieren konnten.
In ihrem Buch geht Kübra Gümüşay dieser eigenartigen Wechselbeziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit nach – und verarbeitet dabei Einsichten, die sich bis auf den Kulturphilosophen und Philologen Johann Gottfried Herder zurückverfolgen lassen: Dieser sieht nämlich bereits, dass sich in der Sprache die Lebenswelt der Sprechenden abbildet, bis hinein in historische, biografische, soziale, geografische, klimatische und viele andere Faktoren. Und mehr als das: Sprache – in Vokabular wie auch Grammatik – lenkt umgekehrt auch die Wirklichkeitsauffassung der Sprechenden, legt ihnen eine bestimmte Wahrnehmung der Welt nahe.
Diese Verbindung von Sprache, Weltwahrnehmung und Wirklichkeit beschäftigt auch andere Philosophen seiner Gegenwart und darauffolgender Zeiten: von Hamann (zu dessen Kritik an Kant bereits eine mindmaps-Folge vorliegt) über Humboldt bis Nietzsche und darüber hinaus wurde gerade im Namen der Sprachlichkeit unseres Denkens auch Kritik an den rationalistischen Engführungen der Aufklärung laut: zum einen ist die vielgerühmte «objektive Vernunft» nicht anders zu haben als in Gestalt der konkreten, historisch bedingten und darum gerade nicht universellen Sprache – zum anderen ist der Mensch nicht nur ein Wesen der Vernunft, sondern auch des Gefühls, des Willens, der Poesie und Musik und vieler anderer Aspekte des Lebens, die sich nicht auf Verstandesfunktionen reduzieren lassen.
Sprache erschließt Wirklichkeit: Manuel spricht mit Peter über die weitreichenden Konsequenzen dieser Einsichten auch für heutige gesellschaftliche und theologische Diskurse. Was bedeutet die eigene Verhaftung in einer spezifischen Sprachwelt für theologische Ansprüche auf Wahrheit? Und kommt nach dieser Logik den biblischen Sprachen und insbesondere dem Hebräisch (dessen Geist auch das neutestamentliche Griechisch noch atmet) eine einzigartige Bedeutung zu? Zugespitzt: Ist Hebräisch die Sprache Gottes? -
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Johann Gottfried Herder (1744–1803) gehört zu den am meisten unterschätzten Denkern der anbrechenden Moderne. Er zeigt unter anderem, wie die Begegnung mit Menschen(gruppen) gelingen kann, die ganz anders sind als wir.
Nach einem abgebrochenen Medizinstudium studiert Herder in Königsberg Theologie – und darf bei Immanuel Kant unentgeltlich an dessen Vorlesungen teilnehmen. Durch seine Freundschaft mit Hamann wird ihm die Kraft der Sprache und Poesie erschlossen – Leidenschaften, die Herder dann in Lettland zu einer tiefen Beschäftigung mit den dortigen Volksliedern führen. Es entwickelt eine ebenso authentische wie reflektierte Volksverbundenheit und ist fasziniert von den Eigenheiten verschiedener Kulturen und Sprachgemeinschaften.
Manuel diskutiert mit Peter, was sich von Herder alles für das Zusammenleben in einer pluralistischen, multikulturellen Gesellschaft lernen lässt – und es wird deutlich: eine Menge! Herder macht literarisch und biografisch vor, dass die gelungene Begegnung mit dem «Anderen» und «Fremden» nicht ohne Neugierde und Respekt auskommt. Nicht ein vorgefasster Begriff dessen, was den Menschen und seine Natur zutiefst ausmacht, kann hier leitend sein, sondern eine möglichst offene Wahrnehmung des Anderen, der auch meinen Begriff von Humanität noch einmal aufsprengt. Ganz ähnlich geht Herder dann übrigens auch mit biblischen Texten um: Er versucht sich in deren Lebenswelt hineinzudenken und sie von innen heraus zu verstehen, anstatt ihnen mit dogmatischem Vorurteil zu begegnen.
Natürlich beschäftigen hier auch die Folgefragen: Wo und wie lässt sich bei aller Wertschätzung für das Andere auch Kritik anbringen? Von welchem Standpunkt aus lassen sich Phänomene unter Menschen oder Überlieferungen des Bibel kritisieren? Und woher kommt das eigene Verständnis des «Allgemeinmenschlichen», das auch Herder wichtig war? Manuel und Peter diskutieren diese Fragen auch auf dem Hintergrund aktueller Problemstellungen, etwa dem Phänomen des «Othering», das die Abwertung und Distanzierung des Fremden in unseren Gesellschaften bezeichnet. -
Hegels Philosophie ist vielleicht der letzte große Versuch, die gesamte Wirklichkeit und Geschichte in einem umfassenden System zu begreifen. Kann er auch heute noch überzeugen?
Er ist einer der ganz Großen der deutschen Geistesgeschichte: Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831). Zusammen mit Fichte und Schelling knüpfte er am gewichtigen Vordenker Immanuel Kant an – und versucht ihn zugleich zu überschreiten: Hegel stößt sich an den Grenzen, in welche Kant die Vernunft verwiesen hat, und versucht dessen Subjektphilosophie aufzusprengen.
Das vernünftige «Ich», das wahrnimmt und urteilt, muss nach Hegel immer schon ein «Nicht-Ich» mitdenken, das wiederum von etwas «Absolutem» umfasst wird – und dieses Absolute identifiziert Hegel mit dem «Weltgeist», der die Menschheitsgeschichte voranbringt und dabei zu sich selbst findet. Der bekannte Dreischritt «These – Synthese – Antithese» hat hier seinen Sitz: Die Geschichte der Welt vollzieht sich («dialektisch») in dieser Bewegung und macht die gesamte Wirklichkeit in Wissenschaft, Religion, Recht, Kunst und Philosophie verständlich…
Manuel diskutiert mit Peter über die Überzeugungskraft und die Probleme dieses Universalentwurfs – und über die Parallelen zu einem christlichen Vorsehungsglauben, der auch sämtliche Ereignisse der Geschichte von einem göttlichen Plan umfangen und damit in ihrer Sinnhaftigkeit bekräftigt weiß: Ist es hilfreich und tröstlich, so über die Geschichte zu denken – oder tut es der Wirklichkeit vielmehr Gewalt an? -
So lange wir leben, hoffen wir («dum spiro, spero») – diese antike Weisheit bewahrheitet sich an der bewegten Geschichte der Utopien, um welche sich Gemeinschaften und Bewegungen formen.
Allerdings: Ein Blick auf die erfolgreichen Serien bei Netflix und Co. zeigt, dass seit einigen Jahren besonders die Dystopien Konjunktur haben. Apokalyptische Geschichten der Menschheit nach der atomaren Katastrophe oder nach der feindlichen Übernahme durch eine künstliche Intelligenz erfreuen sich großer Beliebtheit. Ist diese Faszination für Untergangsszenarien Ausdruck einer spätmodernen Ernüchterung des Menschen, nachdem sich die großen Utopien der Neuzeit erschöpft oder als fatale Irrlichter erwiesen haben?
Manuel spricht mit Peter über die Entwicklungsgeschichte utopischer Vorstellungen und deren enge Verbindung mit christlich-theologischen Motiven. Von seiner ersten Verwendung bei Thomas Morus (1516) an speist sich der Begriff der Utopie auch von biblischen Visionen eines paradiesischen Urzustandes oder eines messianischen Friedensreiches, wie sie etwa im Buch der Offenbarung begegnen. Die Täufer in Münster waren getrieben von der Idee eines diesseitigen Gottesreichen, und die Geschichte der Entdeckung und Besiedlung des amerikanischen Kontinents ist getragen von der Absicht, hier eine «neue Welt», ein «irdisches Jerusalem» zu schaffen.
Im Gespräch mit Manuel verfolgt Peter diese Spuren bis in die Gegenwart – und zeigt die Gefahren auf, die sich mit Utopien seit jeher verbinden. Aber können wir auf solche großen (und kleinen) Zukunftsträume überhaupt verzichten? Gibt es einen goldenen Mittelweg zwischen desillusionierten Untergangsszenarien und utopischen Visionen mit totalitärer Tendenz? Lässt sich an der christlichen Hoffnung festhalten, ohne in die Fallen utopischer Begeisterung zu tappen? -
In dieser Spezialfolge von «mindmaps» spricht Manuel Schmid mit der Philosophin Barbara Bleisch nicht nur über eine wichtige philosophische Frage, sondern über eine ganz existenzielle Lebensfrage überhaupt: Was ist der Sinn des Lebens?
Barbara Bleisch braucht für die meisten wohl keine Vorstellung mehr: Sie ist bekannt als Sachbuch-Autorin und als Moderatorin der SRF-Sendung «Sternstunde Philosophie», unterrichtet am Ethik-Zentrum in Zürich und wurde mehrfach als Journalistin ausgezeichnet. In ihren Texten und Vorträgen verbindet sie philosophische Tiefenbohrungen mit lebensweltlichen Kenntnissen und einem feinen Gespür für die Fragen der Gegenwart. Das wird auch in diesem Podcast deutlich, der Live am RefLab-Festival 2024 aufgenommen wurde.
Das Gespräch führt von der Unterscheidung der «grossen» und der «kleinen» Sinnfrage («Sinn des Lebens» vs. «Sinn im Leben», oder «Vogelperspektive» vs. «Froschperspektive») zur Frage, WO und WIE sich «Sinn» überhaupt finden lässt. Müssen wir den Sinn des Lebens in uns selbst suchen, steckt er in unseren Leidenschaften und Wünschen drin – oder findet er sich gerade «draussen», ausserhalb meiner selbst, in einer Aufgabe oder Verantwortung, die eben grösser und bedeutender ist als mein kleines Leben? Und führen nicht manchmal gerade jene Menschen ein sinnerfülltes Leben, die sich um den Sinn des Lebens gar nicht viele Gedanken machen? Holt uns der Sinn des Lebens (ein bisschen wie das Glück) nicht vielmehr als «Nebenprodukt» ein, während wir etwas ganz anderes verfolgen?
Es gibt viel zu besprechen – darum: viel Spass, Unterhaltung und wertvolle Anregungen mit dieser Spezialfolge von «mindmaps»! -
Die Diskussion um die Künstliche Intelligenz geht in eine zweite Runde – diesmal dreht sich das Gespräch von Manuel und Peter ausdrücklich um philosophische Fragen, welche sich aus den Möglichkeiten der KI ergeben. Ausgangspunkt bildet die Beobachtung von Prof. Ulrich Hemel (aus einem Aufsatz zur «Digitalen Humanität» https://institut-fuer-sozialstrategie.de/wp-content/uploads/2021/12/di-ki_ifs_dez-21_hemel_vom-defizitmodell-zur-digitalen-humanitaet.pdf), dass neue Technologien immer auch Auswirkungen auf das menschliche Selbstbild haben – und dass mit dem Aufkommen der KI auch eine gewisse «Kränkung» des Menschen einhergeht: Was einmal sein Alleinstellungsmerkmal war, das kann jetzt auch die KI… Diese Kränkung stößt den Menschen aber unausweichlich auf die entscheidende Frage, was sein Menschsein denn nun genuin ausmacht.
Peter und Manuel besprechen Kandidaten für Alleinstellungsmerkmale des Menschen – angefangen beim umstrittenen Intelligenz-Begriff, über den Besitz von Bewusstsein bis zur Kreativität – und sie gelangen schliesslich zu einer theologischen Definition, die den Menschen als Geschöpf in der Gegenwart und Zuwendung Gottes versteht. Lässt sich das irgendwann auch für die künstliche Intelligenz sagen? -
Sie ist in aller Munde und erlebt gerade eine sagenhafte Hochkonjunktur: die «Künstliche Intelligenz» (KI). Durch Anwendungen wie «ChatGPT» und das Bildgenerierungs-Portal «midjourney» ist der Gebrauch von KI im Alltag des Normalverbrauchers angekommen, und die Möglichkeiten dieser Technologie wecken unterschiedlichste Gefühle: Von heller Begeisterung über die erstaunlichen Leistungen der KI bis zum blankem Entsetzen über deren Missbrauchspotenzial.
Manuel und Peter nähern sich dem Thema über die Frage nach der Funktionsweise von künstlicher Intelligenz und ihren gegenwärtigen Anwendungsgebieten – und sie wägen daraufhin die Chancen und Gefahren ihres Gebrauchs ab. Ethische Probleme tun sich nicht erst bei den Befürchtungen auf, die KI könnte dem Menschen Arbeitsplätze streitig machen oder außer Kontrolle geraten: Schon heute wird mit Hilfe von KI eine Flut von Fake-News, Spam und Malware produziert, die Porno-Industrie wirbt mit «Nudifier»-Apps und «Face-Swap»-Technologien, welche die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen mit Füssen treten – und zahlreiche Anwendungen zur Generierung von Bildern, Videos und Stimmen machen es möglich, jeder beliebigen Person jede beliebige Aussage in den Mund zu legen oder jede beliebige Handlung vollführen zu lassen.
Die Diskussion führt die beiden Podcaster von der Notwendigkeit rechtlicher Restriktionen und Kontrolle von KI-Anwendungen hin zur Frage, wie man denn im Zeitalter der KI-generierten Bilder, News und Videos noch zu vertrauenswürdigen Informationen kommt…
Anmerkung: Unter dem Titel «Trau deinen Augen nicht» hat sich Manuel in einem Blogbeitrag bereits mit der Frage auseinandergesetzt, worauf wir uns denn noch verlassen können, wenn die KI auf Knopfdruck fotorealistische Bilder jeder beliebigen Person in jedem beliebigen Zusammenhang liefert – und was das für unseren Umgang mit Medien bedeutet. Der Beitrag findet sich hier: https://www.reflab.ch/trau-deinen-augen-nicht/ -
Die Aufklärung verdient eine weitere Folge, in der sich Peter und Manuel zunächst mit der «kritischen Theorie» auseinandersetzen, die (u.a.) von Theodor Adorno und Max Horkheimer begründet wurde und mit einem enggeführten Vernunftbegriff und seinen fatalen Folgen abrechnet. Der Vernunftbegriff der Aufklärung führt der «kritischen Theorie» gemäß zu einem funktionalen Weltumgang, zu einer verplanten, verwalteten, kategorisierten Welt und damit auch zu Systemen, die den Menschen nicht befreien, sondern erneut gefangen nehmen: Die Vernichtungslager der Nazis mit ihrer perfektionierten Tötungsmaschinerie sind Resultate, die ohne einen solchen Vernunftbegriff nicht denkbar scheinen.
Die Diskussion führt die beiden aber auch zur Frage, wo die Religion unbedingt Aufklärung bzw. aufklärerische Motive und Impulse benötigt – und warum umgekehrt auch die Aufklärung auf Religion bzw. religiöse Motive und Impulse nicht verzichten kann.
Dabei wird deutlich, dass Religion auf Vernunft und Kritik angewiesen ist, um nicht dogmatistisch und fundamentalistisch zu werden. Zugleich kann gerade der Glaube den aufgeklärten Menschen vor der Selbstvergottung der Vernunft und der eigenen Selbstüberschätzung bewahren – und eben darum einem erneuten Tugend-Terror vorbeugen, wie ihn die Aufklärung immer wieder hervorgebracht hat. -
Zum Abschluss dieser mindmaps-Staffel zur Philosophie des Mittelalters und der anbrechenden Neuzeit nehmen sich Peter und Manuel das Phänomen der «Aufklärung» vor. Ohne die Impulse und Folgen der Aufklärung ist unsere heutige Wissenschaft und westliche Gesellschaft nicht zu verstehen – die gewaltigen Umbrüche, die das 17. und 18. Jahrhundert im Namen der Vernunft und der Herrschaftskritik erlebt haben, sind zwei Sonderfolgen wert: Was genau ist «Aufklärung»? Welche Perspektiven sind darauf möglich, und was sind ihre bis heute wirkmächtigen Hauptanliegen?
Peter kreist die Antworten auf diese Fragen ein – und entwickelt im Gespräch mit Manuel dann eine ganze Reihe kritischer Anfragen, die es an das Projekt der Aufklärung zu richten gilt. Das nicht, um die Notwendigkeit und Berechtigung der Aufklärung an sich in Frage zu stellen, sondern vielmehr, um sie ernst zu nehmen und ihre Werte (Rationalität, Herrschaftskritik, Humanität) auch auf sich selbst anzuwenden. Dabei wird deutlich, welche Tendenzen zur Selbstimmunisierung gegen Kritik die historischen Aufklärungsbewegungen mitführen, welche Begründungsdefizite und Engführungen sie aufweisen, und wo sie in der Gefahr stehen, einer ethischen Überforderung des Menschen Vorschub zu leisten. -
Die vorausgehende Diskussion zum Wesen des Menschen hat bereits die Frage aufgeworfen, wie denn das Böse zu verstehen ist, das den Menschen ereilt oder das er selber über andere bringt. Nicht nur evolutionsbiologische, sondern auch theologische und philosophische Erklärungen kommen hier an eine Grenze des Erklärbaren. Die Gräuel des zweiten Weltkrieges, für welche das Vernichtungslager in Auschwitz emblematisch steht, verschärfen das Rätsel des Bösen aufs Äusserste.
Peter und Manuel schreiten verschiedene Erklärungsversuche in der Theologie- und Philosophiegeschichte ab – von monistischen über dualistische Modelle – und weisen auf die Gefahr hin, das Böse durch die Einordnung in ein Sinnganzes zu verharmlosen und die Leidenden nicht ernst genug zu nehmen. Darum enden sie beim biblisch begründbaren Verzicht auf eine Erklärung, der aber nicht ohne Hoffnung auf die Überwindung des Bösen auskommt. -
An den gesellschaftspolitischen Diskussionen um das bedingungslose Grundeinkommen lässt sich gut demonstrieren, wie schnell auch in aktuellen Fragen das Menschenbild eine entscheidende Rolle spielt. Der Historiker Rutger Bregman spricht sich darum nicht nur für ein anstellungsunabhängiges Bürgergeld aus, sondern liefert mit dem Bestseller «Im Grunde gut» auch die anthropologische Begründung mit: Der Mensch ist nämlich seiner Überzeugung nach von Natur aus solidarisch, empathisch und tüchtig.
Bregman versucht dies in einem (lückenhaften) Durchgang durch die Geschichte der Menschheit nachzuweisen – und widerspricht damit auch einem verbreiteten christlichen Verständnis des Menschen als verdorben und böse. Peter Hempelmann ist von dem Buch allerdings alles andere als überzeugt, und er zeigt im Gespräch mit Manuel, wie schon die Philosophen Hobbes und Rousseau das Spektrum zwischen einem abgründig pessimistischen und einem entschieden optimistischen Menschenbild abstecken.
Was also ist der Mensch? Was darf man ihm positiv zutrauen, und worauf sollte man sich negativ gefasst machen? Und wie hat die christliche Theologie den Menschen eingeschätzt? -
Der Aufklärungsphilosoph und Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) wurde nicht durch eine philosophische Abhandlung, sondern durch eine eingängige Erzählung weltberühmt: In «Nathan der Weise» plädiert er in narrativer Form für den Frieden der (monotheistischen) Religionen.
Peter und Manuel vertiefen sich in die sog. «Ringparabel», welche den argumentativen Kern des Erzählung Lessings bildet – und fragen sich, inwiefern deren Vorgaben als Modell zur Verständigung der Religionen taugt. Ist es wirklich so einfach: Sollten sich die Religionen einfach durch ihre ethischen Qualitäten bewahrheiten – oder wird hier unter der Hand die Eigenart und das Selbstverständnis der Religionen übersteuert? Wie aber könnte denn sonst eine fruchtbare (und nicht gewaltsame) Begegnung der Religionen gelingen? -
Johann Georg Hamann (1730-1788) war ein Freund und zugleich ein prominienter Kritiker des großen Erkenntnistheoretikers Immanuel Kant. In dieser Folge kommen Peter und Manuel auf diesen eigenwilligen und kreativen Denker zu sprechen – und sie zeichnen nach, wie Hamann das scheinbar lupenreine Denken Kants der «Unreinheit» überführt.
Dazu legt Hamann seinen Finger vor allem auf die sprachliche Bedingtheit allen Denkens – und macht klar, dass auch Kant seine Begriffe nur mit Mitteln der Sprache reinigen kann. Sprache aber ist immer schon «verunreinigt», sie ist voller Geschichte, Metaphern, Veränderungen, Abhängigkeiten, Bedeutungsverschiebungen usw. Diese Kritik spitzt Hamann zu, wenn er von Kant als der «Vernunft in Königsberg» spricht: Auch die von Kant explizierte «reine Vernunft» ist letztlich nur seine Vernunft, nur eine ganz lokalisierte, kontingente, subjektive Größe.
Hamann vertritt dagegen eine deutlich bescheidenere und sicher auch weniger durchsetzungsstarke Erkenntistheorie. Sie ist inspiriert von seiner christlichen Glaubenserfahrung, namentlich von der Einsicht, dass auch über Gott nicht in absoluten, allgemeingültigen Begriffen gesprochen werden kann… -
Kant lässt sich nicht in einer Folge abhandeln (und eigentlich auch nicht in zwei…) – darum setzen sich Manuel und Peter in dieser Folge noch einmal ihm auseinander: Spezifisch mit seiner Religionsphilosophie.
Peter verfolgt das Thema der (christlichen) Glaubens durch das Werk Kants hindurch und zeigt zunächst, wie er in der «Kritik der reinen Vernunft» sämtliche bekannten Gottesbeweise erledigt. In der «Kritik der praktischen Vernunft» wiederum macht Kant die Existenz Gottes als «regulative Idee» stark, die notwendig ist, um ethisches Handeln vernünftig zu begründen. In seinen späteren Schriften unternimmt Kant dann den Versuch, das Christentum in eine Vernunftreligion zu überführen und geht auch auf ganz klassische christliche Lehrstücke wie die Sündenlehre, die Lehre von den Letzten Dingen (Eschatologie), die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) sowie die Christologie ein.
Die Diskussion würdigt die apologetischen Absichten Kants, macht aber auch den Preis deutlich, der mit der Umformung der christlichen Lehre nach Maßgabe der Philosophie Kants verbunden ist. -
Mit dieser Folge wagen sich Peter und Manuel an den wichtigsten (und wohl auch anspruchsvollsten) deutschsprachigen Philosophen der Neuzeit heran: Immanuel Kant (1724–1804). Sein ganzes Leben hat der große Erkenntnistheoretiker in Königsberg verbracht – von da aus aber gewissermaßen die geistesgeschichtliche Welt ausgehebelt (er selbst spricht von der durch ihn eingeleiteten «kopernikanischen Wende» der Philosophie).
Mit seiner «Kritik der reinen Vernunft» (1781) nimmt Kant einen ganz neuen Anlauf, um die Frage nach der Erkennbarkeit der Wirklichkeit zu beantworten – und dabei die sich gegenüberstehenden philosophischen Richtungen des Empirismus und des Rationalismus zu versöhnen. Dabei kommt es zu einer «Reinigung» der Vernunft bzw. zu einer Einschränkung der Reichweite menschlicher Erkenntnis.
Peter führt in diesem Gespräch in das Denken Kants ein und legt wenigstens einige Grundzüge seiner Erkenntnistheorie dar. Zum Schluss deutet er auch erste Kritikpunkte aus theologischer Perspektive an – insbesondere im Blick auf den Versuch Kants, dem religiösen Glauben einen Platz jenseits des Wissens und der sicheren Erkenntnis einzuräumen… -
Eine Philosophiegeschichte in theologischer Perspektive kommt nicht um Blaise Pascal (1623–1662) herum: Pascal ist ein herausragender französischer Philosoph, Wissenschaftstheoretiker, Mathematiker, Physiker, Literat und Apologet des Christentums, der in seinem kurzen Leben der Neuzeit ganz entscheidende Impulse gegeben hat.
Er erweist sich früh als Wunderkind, rekonstruiert bereits mit 12 Jahren die ersten 32 Lehrsätze der Euklidischen Geometrie, mit 16 Jahren veröffentlicht er eine aufsehenerregende Arbeit über Kegelschnitte. Seine mathematischen Erkenntnisse werden bis heute durch das «pascalsche Dreieck» angedeutet, auf dem Feld der Physik hat er sich durch bahnbrechende Untersuchungen zum Luftdruck verewigt (die Messeinheit «Pascal» geht auf ihn zurück).
Theologisch bedeutsam ist zunächst Pascals Berührung mit der innerkatholischen Erneuerungsbewegung des Jansenismus: er wird zum wirkungsvollen Kritiker der führenden kirchlichen Theologie, Moral und Macht und findet mit seinen Streitschriften grosses Echo. Eine eindrückliche Bekehrungserfahrung macht ihn zum leidenschaftlichen Apologeten des Glaubens – seine «Gedanken zur Religion» verteidigen das Christentum gegen atheistische und skeptische Anfragen und gehen in die Geistesgeschichte ein. Persönliche Leiderfahrungen formen Pascal zum Begründer eines christlichen Existenzialismus, dessen Wirkung über Kierkegaard bis in die Gegenwart reicht. -
Descartes lässt sich nicht in einer Folge bewältigen, darum folgt hier ein Nachschlag: Peter und Manuel nehmen sich die Erkenntnistheorie dieses Denkers nochmal vor. Peter zeigt, wie sich mit der cartesianischen Philosophie ein ganz bestimmter, für die Moderne entscheidender Zugriff auf die Wirklichkeit Bahn bricht: Das intellektuelle Subjekt begreift das weltliche, körperliche Objekt und ordnet es in sein Denken ein.
Wir würdigen diese revolutionäre Erkenntnistheorie, welche die Türen zur Neuzeit aufgestossen hat – üben dann aber auch Kritik daran. Schon aktuelle naturwissenschaftliche Einsichten machen klar, dass diese Subjekt-Objekt-Spaltung unserer Beziehung zur Welt nicht gerecht wird: Im Akt der Wahrnehmung wird immer auch dasjenige verändert, was wir wahrnehmen. Philosophisch gesprochen: Der Erkenntnisvollzug konstituiert die Wirklichkeit.
Dann wird aber in unserer Spätmoderne auch deutlich, wie verheerend sich diese Art der Bemächtigung der Welt ausgewirkt hat. Die ökologische Krise unserer Zeit veranschaulicht, dass wir eben nicht nur als denkende Subjekte auf diese Welt zugreifen, sondern auch Teil von ihr sind, mit ihr in einer Schicksalsgemeinschaft verwickelt sind. Der Soziologe Hartmut Rosa hat hier vom Phänomen der Resonanz gesprochen: Wir sind eben nicht nur erkennende Subjekte, sondern auch empfangende Objekte, wir leben von verschiedenen Resonanzbeziehungen zur Umwelt, zu anderen Menschen… und zu Gott.
In theologischer Perspektive plädiert Peter dann für eine Abwandlung des cartesianischen Diktums: Nicht «cogito ergo sum» («Ich denke, aha: ich bin!»), sondern «cogitor ergo sum» («Ich werde erkannt – aha, ich bin!»). -
Heute geht's zur Sache: Mit dieser Folge von «mindmaps» begeben wir uns an die Schwelle zur Neuzeit. René Descartes (1596–1650) gilt zu Recht als Begründer des neuzeitlichen Rationalismus, der mit Hilfe eines methodischen Zweifels das Denken auf eine feste Grundlage stellen wollte. Peter zeichnet das Leben dieses vielgereisten Denkers nach und geht auf seine wichtigsten Werke und deren Bedeutung ein.
Wir steigen aber popkulturell in diese Diskussion ein und fragen anhand des Christopher-Nolan-Blockbusters «Inception» nach den Möglichkeiten, Wirklichkeit und Traum zu unterscheiden. Descartes hat gerade diese Differenz philosophisch aufgegriffen und versucht zu zeigen, dass man die «Zwiebel» der Wahrnehmungen und Erfahrungen schälen muss, bis man bei der einzigen unbezweifelbaren Einsicht anlangt: «cogito ergo sum» – «Ich denke, Aha! Ich bin!» Von dieser Grundeinsicht aus baut Descartes dann sein Gedankengebäude neu auf und findet von der Selbstgewissheit dann auch wieder zur Gottesgewissheit.
Zum Schluss dieser Episode kommt mit «The Matrix» noch einmal ein Kultfilm zur Sprache – an seinem Beispiel stellt Manuel die Frage, ob mit dem Spitzensatz von Descartes wirklich der Boden fester Gewissheiten erreicht ist, oder ob nicht auch unser Denken noch einmal Produkt einer Einbildung, einer Steuerung etwa durch künstlich-intelligente Maschinen sein könnte… -
Thomas von Aquin gilt nicht nur als wichtigster Theologe seit Augustin, sondern auch philosophisch als einer der bedeutendsten Denker des Mittelalters. Thomas ist ein Modernisierer, der viel Widerstand weckt und sogar als Irrlehrer verurteilt wird, aber schon wenige Jahrzehnte nach seinem Tod von Papst Johannes XXII heiliggesprochen wird. Er tritt als junger Mann in einen Bettelorden ein und kämpft für eine Reform der Kirche.
In dieser Folge von «mindmaps» kommen wir dem umfassenden Werk von Thomas auf die Spur. Peter zeigt, wie innovativ dieser versucht, die etablierte scholastische Philosophie, welche wesentlich platonisch geprägt war, mit der Philosophie des Aristoteles zu vereinen und den Glauben damit auf der Höhe der Zeit zu halten. Wie schon Anselm ist auch Thomas durch fünf zusammenhängende (später so genannte) «Gottesbeweise» bekannt geworden.
Wir greifen in unserer Diskussion die massive Kritik auf, die der neue Atheist Richard Dawkins an den Gottesbeweisen des Thomas von Aquin übt. Dabei wird deutlich, dass Dawkins den mittelalterlichen Denker grundlegend missversteht – und dass (wie schon Anselm) auch Thomas nicht vorhatte, einen voraussetzungslosen Beweis für Gott zu erbringen. Braucht also jede Zeit ihre eigenen Gottesbeweise? - Visa fler