Avsnitt
-
Jon Fosses Figuren haben etwas auf sich Verdichtetes, bewegen sich in Schleifen, Strudeln, halten ihre Gedanken kurz an, als versuchten sie, sich abzusichern, dass das, was sie erleben, empfinden, wirklich so ist. Mitunter scheinen sie in Gefahr zu geraten. Fosse gelingt es, sie aus dem Alltag zu lösen, ihnen einen Moment der Zufriedenheit zu schenken. So bewegen wir uns als Leser durch die Vermutung der ständigen Annäherung.
-
Roman Rozina erzählt in "Hundert Jahre Blindheit" ein Epos, eine Chronik der slowenischen Umwälzungen im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Jungen Matijas und seiner Schwestern, die ihr Zuhause verlieren und mit den Eltern in eine Bergbausiedlung umziehen müssen, ist eine Geschichte voller Kriege, Besetzungen, Revolutionen, Diktaturen und verlorener Hoffnungen.
-
Saknas det avsnitt?
-
Wie gewohnt rückt Houellebecq die französische Intelligenzija in ihrer stupenden Ohnmacht in den Mittelpunkt. Der Ich-Erzähler ist Akademiker, beschäftigt sich mit Huysmann und kann sich dem anstehenden Präsidentschaftswahlkampf nicht entziehen, weil die Vorboten überall sind. Es kommt in Paris zu tumultartigen Auseinandersetzungen, die selbst im demonstrationsfreudigen Frankreich für Beunruhigung sorgen. Was ist bloß mit der öffentlichen Ordnung los?
-
Wie leicht fällt es uns diesen Marlow, der davon erzählt, wie er in den Kongo gezogen ist, um das Kommando eines abgetakelten Flussdampfers zu übernehmen und für eine belgische Handelsgesellschaft zu arbeiten, als Kolonialisten, gar als Rassisten, jedenfalls als verkrachte Existenz zu sehen. Zwar ist er kein Reisender auf der Suche nach Exotik, aber er würde alles tun, um wieder ein Schiff unter die Füßen zu bekommen.
-
Baxter kennt nur ein Ziel. Aus dem Teufelskreis ausbrechen, der ihn als Schwarzen umgibt, indem er Karriere macht. Noch ist er ganz unten, zum Buckeln verdammt. Er steht knapp vor dem Rauswurf, weil er womöglich die Höchstpunktzahl erreicht, die eine fristlose Kündigung nach sich zieht. In einem Punktekatalog werden seine Verfehlungen zahlenden Fahrgästen gegenüber aufgeführt, die einmal zur Beschwerde angezeigt, ihm das Leben schwermachen.
-
Israel ohne Palästinenser. Natürlich muss dahinter ein Terroranschlag stecken. In Ibtisam Azems Roman "Das Buch vom Verschwinden" wird den Israelis erst langsam bewusst, was geschehen ist. Keine Busse fahren. Wird etwa gestreikt? Wo ist der Arzt, der mich operieren sollte? Eine Sondersendung jagt die der andere. Keiner weiß etwas.
-
Mark Twain wusste um sich, um seine schonungslose Ehrlichkeit. So schützte er sich vor sich selbst, indem die Veröffentlichung seiner Autobiografie hundert Jahre sperrte. Erst sollten alle verstorben sein, die sich hätten gekränkt fühlen können oder weit schlimmer eine Veröffentlichung verhindert hätten.
-
Paolo, der Held der Geschichte, schreibt ein Buch über die Atombombe, im Wissen darüber, dass es schon genug Bücher darüber gibt. Als Journalist nimmt er an einer Klimakonferenz teil und muss feststellen, dass die Debatten und Begegnungen dort so langweilig sind, dass er sich etwas aus den Fingern saugen muss, um seiner Redaktion etwas zu bieten. Und als wäre das nicht genug, trennt sich seine Frau wegen des unerfüllbaren Kinderwunsches von ihm.
-
Die Autorin Marie NDiaye erzählt von einer 42jährigen Anwältin aus Bordeaux. Sie übernimmt das Mandat zur Verteidigung einer Mutter, die ihre Kinder ermordet hat. Die Festnahme ließ sie teilnahmslos über sich ergehen. Sie hat alles gestanden, sie will ihre Strafe verbüßen. Ihr Ehemann, von dem sie die Scheidung fordert, setzt alles daran, um sie vor Gericht freisprechen zu lassen.
-
Munas Mutter ist Schauspielerin. Wir steigen in die Geschichte ein, als sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Ihre Tochter lässt sie kurz vor dem Abitur allein zurück und schon hier zeigt sich Munas Gefährdung, wie auch ihr eiserner Wille, die Katastrophen im Leben anzunehmen. Sie wird nicht nur ihr Abitur schaffen, sich auch allen Bestrebungen wiedersetzen, sie in ihre Obhut zu unterstellen.
-
Jack, als Jude aus Koblenz eingewandert, hat sich ganz dem Klischee entsprechend vom Tellerwäscher zum Millionär hochgearbeitet, ist Teil des Geldadels in Manhattan, der sich mit Glamour umgibt. Man bleibt unter sich. Man genügt sich. Man befindet sich im Vakuum der eigenen Wichtigkeit und schaut wie Jack aus schwindelerregender Höhe in die Schluchten Manhattans hinunter, wo Taxis wie Menschen umherirren.
-
Zadie Smiths gefeierter Roman "Betrug" beharrt darauf, dass es eine Wahrheit geben kann, geben muss. Trotz aller Lügen, Fake News, moralische Absicherung nach allen Seiten. Es gibt natürlich die eine Wahrheit, nichts als die eine, die muss man nur finden. Wenn man nicht gleich der festen Überzeugung ist, sie zu kennen. Was in "Betrug" ein Aufreger ist, weil sich jemand ein fremdes Leben anmaßt, ist heute leichthin möglich.
-
Siri Huvstedts Roman "Der Sommer ohne Männer" in der Übersetzung von Uli Aumüller ist die Geschichte der New Yorker Dichterin Mia, die von ihrem Mann verlassen wird und in der Psychiatrie landet. Ein völliger Zusammenbruch nach einer aufreibenden gemeinsamen Zeit als Ehepaar, aus der der Mann sich einfach verabschiedet. Er nennt es eine Pause, vergnügt sich anderswo. Mia jedoch ist stark und verzweifelt genug, um zur Selbsthilfe zu greifen. Der Aufenthalt in der Klinik währt nur kurz.
-
Sandy ist Mitte Fünfzig, ein Alter, in dem sich leicht eine Krise einschleicht. In ihrem Fall sind es eher die Krisen anderer, die ihr Gleichgewicht herausfordern. Ein Vater, der wegen Corona im Krankenhaus liegt. Sein Hund, den es zu hüten gilt. Ein seltsamer Anruf einer alten Freundin, in dem es um ein kunstvoll geschmiedetes eisernes Schloss aus dem Mittelalter geht und deren erwachsene Kinder plötzlich vor Sandys Haustür auftauchen, sie beschimpfen und von ihr verlangen, dass sie ihre Mutter nicht länger belästigt.
-
Es ist die Geschichte des Dorfs Kákásd und seiner Bewohner. Die unter der Hitze, den Kriegen und Ausbeutung zu leiden haben. Trotz aller harten Arbeit sind sie dem Hunger in einem an reicher Ernte verwöhnten Gegend ausgesetzt, die sie eigentlich ernähren müsste. Wären da nicht der Adel, die Landbesitzer, die Parasiten. Die Unterdrückung währt seit 700 Jahren. Die Grafen wechseln sich, die Bauern ducken sich weg. Es lässt sich ja nichts ändern, es war schon immer so. Auch der Hass auf die Roma und die Juden.
-
Ein Buch über Yoga, über ein Retreat mit schlechtem Ruf, das intensive Auskoppeln aller Gedanken, die einen bedrängen, sodass nur noch die Empfindsamkeit einer Nasenöffnung übrigbleibt. Danach der Zusammenbruch, der einen Aufenthalt in der Psychiatrie notwendig macht. Carrére schreibt Autofiction.
-
Joe Buck, der große, gutaussehende, naive Macho mit dem weichen Kern, den sein blinder Optimismus von Houston nach New York treibt, kauft sich gleich zu Anfang von "Midnight Cowboy" ein Paar Stiefel, die mehr sind als eine Fußbekleidung. Joe Buck sieht im Roman von James Leo Herlihy seine Zukunft darin, sich sein Leben als Stricher zu verdienen, weil er nicht nur über einen stattlichen Körper verfügt, sondern auch zutiefst von seinen Sexualpraktiken überzeigt ist. Egal, ob mit Mann oder Frau. In Zukunft werden alle Träume in Erfüllung gehen.
-
In Sally Rooneys Roman "Normale Menschen" mögen sich die Protagonisten vielleicht als normal bezeichnen, doch sie sind es auf keinen Fall. Aus der scheuen Marianne wird eine selbstwusste Studentin werden. Aus dem angebeteten Sportler Connell, mit dem sie zusammen zur Schule geht, ein an sich zweifelnder Autor und Underdog. Normal heißt nichts anderes als Verleugnung, Verlust, Selbstzweifel.
-
Das Leben eines Hackers stellen wir uns eintönig vor. Die Tüte Chips, die Cola auf dem Schreibtisch, von Nacken- und Rückenschmerzen geplagt, ein Leben für den Bildschirm. Kein Wunder also, dass Siv in "Schwachstellen" von Yishai Sarid in der Übersetzung von Ruth Achlama davon träumt, fremde Welten zu bereisen, Abenteuer zu erleben. Besäße er nur nicht dieses außerordentliche Talent zum Hacken, das einen Nachrichtendienst auf ihn aufmerksam macht.
-
Lesen wir Jon Fosse geraten wir in ein Gespräch mit seinen Figuren. Hier muss keine Nähe hergestellt werden, sie ist vom ersten Satz an da. Selbst wenn die Gedanken sich wiederholen und Schleifen verfallen. In der knapp 70 Seiten umfassenden Geschichte "Ein Leuchten" fährt ein Mann von der Landstraße ab und bleibt mit seinem Wagen im Wald stecken. Schon kreisen die Gedanken bruchstückhaft um das, was nun zu tun ist. Schließlich hat er seit Längerem nichts gegessen und es beginnt zu schneien.
- Visa fler