Avsnitt

  • Das Klimadilemma hat uns im Griff. Sollen wir in den Abgrund schauen, deprimiert, erstarrt, nicht mehr handlungsfähig? Oder sollen wir positiv sprechen, uns ermutigen, zwar handlungsfähig, aber vielleicht schon wieder so beruhigt, dass wir auch nichts ändern? Verena Kantrowitsch, Psychologin im Team von Psychologists4future, erlebt das Dilemma am eigenen Leib. Im Podcast sagt sie: „Ich habe Phasen, da kann man einfach nur noch einen Fuß aufstampfen.“ Und dann ist sie doch immer wieder auf der Suche, Teil der Lösung zu werden. Der Schlüssel dafür: Verbündete. Niemand verändert etwas allein. 

    Michael und Verena sprechen intensiv über das Modell sozialer Kipppunkte. Was braucht es, um die Normal-Linie unseres Verhaltens zu verschieben? Keine Mehrheiten, das ist durch zahllose Studien belegt. Eher relevante Minderheiten, die sich trauen, in den Dialog zu gehen. Auf zweiten Blick, so Verena, ist es oft überraschend, welche Gedanken die schweigende Mehrheit umtreiben. Die laute Traditionsmehrheit würde Schweigen immer als Zustimmung für sich werten. Häufig genug steckt hinter dem Schweigen etwas ganz anderes. Nicht jeder hat zu jedem Zeitpunkt Lust, in Konflikte zu gehen. Verena leitet die Faustformel ab: Wer sich traut und aufrafft, sich zum Beispiel für mehr Klimaschutz auszusprechen, wird meist dankbare Schweiger finden, die heute gerade nicht sprechen wollen. So können auch kleine Veränderungen große Wirkung entfalten. 

    Wie kommen wir nun aber zu einem veränderten Verhalten in der Gesellschaft? Verena verweist auf die Arbeit von Per Espen Stokness, ein norwegischer Umweltpsychologe. Der hat gezeigt, dass wir nicht nur beschäftigt sind als Vater, Mutter, Partner:in und nicht nur unsere Belastungsgrenzen haben (wie vielen Krisen will ich mich gleichzeitig aussetzen?). Der Kern, der uns den Wandel so schwer macht, liegt auf der Ebene der Identität. Wir sind wer, wir haben es geschafft, was auch immer „es“ ist. Da geht es dann schnell nicht mehr nur darum, ein anderes Verkehrsmittel zu wählen, sondern seinen Status zu ändern, seine Symbole abzulegen,. Was eben noch eine Frage von Klimaschutz war, wird zu einer Neuerfindung des Ich. Schwierig. Umso mehr müssen wir sprechen, Normalität etablieren - und optimistisch bleiben. 

    Zu Gast: Verena Kantrowitsch, Psychologin, Psychologists4future. Das erste Mal war Verena in Folge 109 zu Gast. 

  • Warum ausgerechnet Homo Sapiens? Was war der Schlüssel unseres Erfolgs? Der Meeresbiologe und Verhaltensforscher Karsten Brensing - und nicht nur er - sagt: Unsere Fähigkeit zur Kooperation. Kooperation ist nicht nur ein Überlebensmechanismus, sondern auch ein Erfolgsfaktor für das menschliche Zusammenleben. Unser Problem: Wir sind zu erfolgreich. Unsere Hoffnung, so Karsten, sollten wir darauf setzen, erfolgreich mit künstlichen Intelligenzen zusammenzuarbeiten. Was das heißt, diskutieren Karsten und Michael in dieser Folge.

    Wir kennen es aus Bio, 8. Klasse: Eine Art, die sich so stark ausbreitet, dass sie ihre eigenen Lebensgrundlagen verbraucht, bricht extrem schnell zusammen und verschwindet. Das beschreibt unsere Lage ganz gut. Spannend ist die Frage, wie wir da rauskommen. Eines unserer Probleme dabei ist unser so ganz und gar nicht rationales Verhalten. Karsten zeigt zahllose Beispiele aus der Tierwelt wie der Wirtschaft, die alle eines gemeinsam haben: Sie zeigen, wie vertrackt unsere Lage wirklich ist.

    Geteilte Verantwortung zum Beispiel führt zu gesteigerter Irrationalität. Wenn alle dieses 2€-Shirt kaufen, kommt es auf mich doch auch nicht an. Das steigert sich bis hin zur Grausamkeit. In Gruppen kommen wir kaum dagegen an. Das führt Karsten zu seiner These: Wenn wir aus uns heraus schon nicht zu besseren Entscheidungen kommen, könnte uns KI helfen? Unterstützend ist das längst Realität, in der Politik, in Unternehmen, in Technologie.

    Wenn wir das aber wollen, warum sollte die KI es tun? Also zu einem Zeitpunkt, wo sie mehr geworden sein wird als ein Werkzeug, das wir nach Belieben an- und wieder ausschalten. Wie wird KI uns einschätzen, wenn sie jederzeit einsehen kann, wie wir sie lange behandelt haben? Letztlich, so Karstens zugespitzte These: Wir sind erdgeschichtlich wahnsinnig erfolgreich - und daher so viele. Damit haben wir die Klimakrise ausgelöst, die unsere Grundlagen und damit uns bedroht. Alle unsere Mechanismen verstärken diesen Effekt immer weiter. Im Grunde bleibt uns nur die Kooperation mit echter KI, um einen Weg zu einem anderen Verhalten als Menschheit zu finden - und damit zu überleben.

    Zu Gast: Karsten Brensing, Meeresbiologe, Verhaltensforscher und Autor

    Buch: Die Magie der Gemeinschaft: Was uns mit Tieren und künstlichen Intelligenzen verbindet (Erscheint am 27.06.2024)

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  • Im Grunde wollen ja alle Innovation. Innovation ist wahnsinnig attraktiv. Wenn es aber ans Risiko geht, dass es dabei zu tragen gilt, werden viele wieder zurückhaltend. Für die Wirtschaft, für die Gesellschaft insgesamt, wird das schnell zum Problem. Dieses Phänomen sehen wir vor allem bei den echten Ungewissheiten, wo nicht nur die Lösung unklar ist, sondern auch die Rahmenbedingungen, sagt Ralf Wehrspohn. Ralf ist Physiker und treibt das Thema Innovation, bei Fraunhofer und darüber hinaus.

    Zehn neue Wege stehen zur Wahl, mindestens neun werden scheitern - wer trägt das Risiko für Innovationen? Der Staat? Einzelne Unternehmen? Investoren? Anstatt uns gegenseitig mit solchen Fragen lahmzulegen, sollten wir lieber auf Kooperationen setzen. Ralf macht sich für symbiotische Innovationen stark. Am Beispiel des Lithiums: Wer das begehrte Metall aus dem Erz gewinnen will, erzeugt gewaltige Mengen Abraum. In klassischer Sicht: Ein teures Problem. In Symbiose: Wertvoller Ausgangsstoff für die Bauindustrie. Schon wird Entwicklung günstig und sicher. Wer dann auch noch Recycling-Ströme mitdenkt, ist schon fast bei er Kreislaufwirtschaft angekommen.

    Das Prinzip ist nicht neu. Jeder Chemiepark beruht auf genau diesem Prinzip, hier Stoffverbund genannt. Diese Netzwerk halten die Chemieindustrie am Leben und am Standort. Dennoch, so Ralf, müssen wir gezielt stärker in solchen Verbünden denken. Niemand gewinnt die Innovation allein.

    Das Prinzip trägt auch im gesellschaftlichen Kontext. Ralf berichtet von Projekten im Kontext Demografie, die er begleitet. Die Zahl älterer Menschen, die im Alltag Hilfe benötigen, wird absehbar in den kommenden Jahren stark steigen. Private Pflege für alle scheidet schon aus Kostengründen als Modell für alle aus. Wie aber dann? Man nehme eine traditionelle Großwohnsiedlung - auch Plattenbau genannt - und verwandele sie in eine stabile Lebenswelt, mit MVZ, Pflegedienst, entsprechenden Technologien im Haus und Integration der Krankenkasse. Schon ist die Symbiose entstanden, in der der Erfolg des einen zur Voraussetzung des Erfolgs des anderen wird.

    Das Beispiel zeigt: Was uns fehlt, ist vielfach das Zutrauen in Kooperationen. Geld jedenfalls ist genug im System, sagt Ralf (und erwartet Widerspruch…). Wenn überhaupt, müssen wir lernen, Geld anders zu verteilen. Weg von starren Meilenstein-basierten Projektplänen, die nur bei inkrementellen Innovationen hilfreich sind. Da, wo es um das wirklich Neue geht, brauchen wir die systematischen Tugenden, die wir von Universitäten schon lange kennen: Kluge Menschen, stabile Grundfinanzierung, attraktive Ziele. Und auf geht es.

    Zu Gast: Prof. Dr. Ralf B. Wehrspohn, Innovator, Gründer, Wissenschaftsmanager, Universitätsprofessor, Dochsager.

  • Kann eine neue Chemie die Welt retten? Jedenfalls kann sie die Welt grundlegend verändern. Grünes Methanol, Kohlenstoff, Katalyse sind die Stichworte. Wenn dieser Wandel gelingt, ist das mindestens einen Nobelpreis wert, sagt Christian Vollmann. Er ist einer der Gründer von C1 und diese Woche zu Gast bei Michael.

    Doch der Reihe nach: Kohlenstoff ist der grundlegende Baustein unseres Wohlstands. Seit Jahrhunderten nutzen wir ihn, um Kunststoffe, Treibstoffe und eine Vielzahl von Produkten herzustellen, die unseren Alltag prägen. Genommen haben wir diesen Kohlenstoff hauptsächlich aus fossilen Quellen - Öl, Gas und Kohle - und am Ende landet er in der Atmosphäre als CO2. Davon landet dort so immer mehr, die Folgen sind bekannt. Entnehmen wir den Kohlenstoff hingegen aus der Luft und nutzen diesen dann für Produkte oder Treibstoffe, entsteht ein Kreislauf. In der Atmosphäre landet immer nur das CO2, das vorher schon dort war.  

    Wie kommen wir an diesen Kohlenstoff? Der menschengemachte Elektroweg ist noch in Entwicklung. Aber nehmen wir doch Pflanzen. Wann immer die Sonne scheint, gewinnen sie Kohlenstoff aus der Luft, um damit zu wachsen. Damit ist der Kreislauf schon fast geschlossen. Aber wie werden Pflanzen zu Ausgangsstoffen der chemischen Industrie, wie zu Treibstoff? Indem wir aus ihnen Methanol erzeugen. Einfachen Alkohol, den, der blind macht. Damit schließen wir den Kohlenstoff-Kreislauf. Nutzen wir dafür erneuerbare Energien, ist das Methanol grün.

    Bislang ist das Verfahren aufwändig, schwerfällig, wenig flexibel und braucht große Mengen Energie. Hier kommt C1 mit ihrer neuen Chemie ins Spiel. Geht der Plan auf, können sie in drei Jahren die erste kommerziell taugliche Produktion in Betrieb nehmen.

    Der Bedarf ist gigantisch. Schifffahrt, Langstreckenflugzeuge und chemische Produktion. Überall, wo es um die stoffliche Nutzung von Kohlenstoff geht - oder sich Antriebe nicht elektrifizieren lassen. (Das schließt Autos ausdrücklich aus. Wer immer noch an eFuels in Autos glaubt, muss wirklich noch einmal in den Chemie-Unterricht. Ganz vorne anfangen).

    Das Team von C1 revolutioniert auf diesem Weg die etablierten Verfahren in der Chemieindustrie. Wie? Erläutert Christian. Sie wollen dreimal so schnell sein. C1 hat eine neue chemische Methode zur Katalyse entwickelt, die effizienter und weniger energieintensiv ist als bisherige Verfahren. Nicht im Labor, sondern im Rechner. Sie verändern das Ziel: Es geht um viele kleine und mittlere Anlagen, nicht unbedingt die großen. Und bei Erfolg werden wir binnen 15 Jahren die verfügbaren Pflanzenquellen alle erschlossen haben. Bis dahin muss der Elektroweg funktionieren, Kohlenstoff direkt aus der Luft zu gewinnen. Und diesen Erfolg, den brauchen wir.

    Zu Gast: Christian Vollmann, Founder and CEO C1 Green Chemicals AG

  • Schon wieder Hochwasser. Ein Jahrhundertereignis, ebenfalls: Schon wieder. Oben auf der Welle schwimmt die Zukunftsfrage: Können wir uns eigentlich an ein neues Klima anpassen? Im Gespräch sind gleich zwei Experten für Hochwasser und Katastrophenmanagement. Holger Schüttrumpf leitet das Institut für Wasserbau an der RWTH Aachen, Jörn Birkmann das Institut für Raumordnung an der Universität Stuttgart. Beide gemeinsam begleiten im Projekt KAHR den Wiederaufbau an der Ahr. KAHR steht für Klima-Anpassung, Hochwasser-Resilienz. Und genau darum dreht sich dieser Podcast: Können wir aus Katastrophen lernen und uns anpassen? Und wenn ja, was bedeutet das?

    Holger und Jörn betonen: Wir brauchen differenzierte Sicherheit. Krankenhäuser und Feuerwehren müssen auch unter extremen Bedingungen möglichst lange funktionieren. Weg von der Hafenkante damit, oder gleich auf Stelzen. Und muss man das Umspannwerk unbedingt dorthin bauen, wo es zufällig gerade flach ist, also ins Flusstal? Die beiden sind sehr deutlich: Wir werden nicht jedes Eigenheim genauso schützen können. Zumal Sicherheit zu einem beweglichen Ziel wird. Wo ist denn nun HQ100 - also das Gebiet in dem wir statistisch einmal pro hundert Jahre mit Überschwemmung rechnen? Schätzen wir das in zehn Jahren anders ein? Und wo dokumentieren wir das eigentlich? Wir bräuchten so etwas wie einen Hochwasser-Pass. Jörn beklagt, dass wir zwar groß darin sind, Faltblätter zu erstellen, um Informationen breit zu streuen. Aber wenn es an die Baugenehmigung geht, dann spielen Katastrophenthemen keine Rolle mehr.

    Es ist trügerisch zu glauben, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit auch die Lösungen für die Zukunft bieten. Wir wissen im Grunde, wie resilient bauen geht. Wir tun es nur nicht. Dabei würden schon kleine Maßnahmen helfen. Keller einen Meter höher, ein paar Stufen oder eine Rampe zur Tür. Den Strom nicht in den Keller. Und die Ölheizung? Die ist insgesamt ein Problem: Schwimmt der Tank auf, wird das Haus zum Sondermüll, das Nachbarhaus meist auch und die Natur drum herum …

    Insgesamt sind wir langsam. Vor zehn Jahren wurde das Nationale Hochwasserschutzprogramm aufgelegt. 168 Maßnahmen. Davon sind genau neun umgesetzt und abgerechnet. Neun. Dabei lohnt sich Prävention, gerade finanziell. Anpassung war lange ein Thema, um das die Klimadiskussion einen Bogen gemacht hat. Niemand wollte den Eindruck erwecken, wir könnten uns weniger um Klimaschutz bemühen, weil wir uns ja anpassen könnten. Außerdem ginge die Anpassung doch vor allem kleine Inselstaaten in der Südsee etwas an. Inzwischen wissen wir: Wir brauchen beides: Klimaschutz und Anpassung. Das gilt gerade beim Wasser: Wir brauchen es und müssen uns zu gleich davor schützen.

    Beide sind sich im Fazit einig: An die großen Trends können wir uns anpassen. Also zum Beispiel die zunehmend ungleiche Verteilung der Niederschläge übers Jahr ausgleichen. Bei den Extremen geht das nicht, jedenfalls nicht zu 100%. Wir wissen nämlich nicht: Wie extrem kann ein Extrem werden? Wir haben technische Grenzwerte, die aber nichts darüber aussagen, ob dieser Grenzwert überschritten wird und wie oft. Wir müssen lernen, das zu akzeptieren: Wir können nicht alle Extreme abpudern. Wir können Todesopfer weitgehend vermeiden, aber Schäden? Nein. Dafür haben wir viel zu dicht und viel zu nah am Wasser gebaut.

    Zu Gast:

    Univ.-Prof. Dr.-Ing. Holger Schüttrumpf, Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft (IWW) RWTH Aachen University

    Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jörn Birkmann, Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung (IREUS)...

  • Wie bitte? Deutschland, kein Autoland? Andreas Knie diagnostiziert: Deutschland war ein Fahrradland. Ein Motorradland. Das Auto wurde für einen Österreicher erfunden, von den Amerikanern in Masse produziert, in zahlreichen anderen europäischen Ländern viel stärker verbreitet - bis Hitler kam und das Auto zum Symbol für Fortschritt und Technologie erhob. Damit begann eine nachholende Modernisierung. Erst in den 70ern im Westen und in den 90ern im Osten kam Deutschland auf das Niveau anderer Länder. Andreas Knie ist Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und Professor für Soziologie an der TU Berlin. Er sagt: Die Nachhol-Dynamik wirkt bis heute und prägt unser irrationales Verhältnis zu Auto und Mobilität.

    Warum tun wir uns so schwer, eine Mobilität zu denken - oder gar zu realisieren, die nicht das Auto in den Mittelpunkt stellt? Andreas schildert, mit welchem Mindset Politik und Verwaltung Verkehr planen. Im Verkehrsministerium gibt es am Ende nur eine Wahrheit: Was fehlt, sind Straßen. Und Brücken. Und noch mehr Straßen. Denn es gibt Lücken, überall Lücken. Daher müssen wir bauen, bauen, bauen. Als wäre Mobilität wie Wasser: Es kommt, es fließt, es wird immer mehr  - und da kann man auch gar nichts tun, als es immer wieder in die richtigen Bahnen zu lenken - und die Bahnen ständig zu vergrößern. Wer Fakten, Wissenschaft, Empirie dagegen hält, erntet ein beherztes „Glaube ich nicht“. Andreas’ Fazit: Wir werden von Ideologen regiert.

    Dabei gibt es Wandel, nur eben nicht in der Politik. Die Mehrheit der Autofahrenden hat die Strecken reduziert, vor allem aus Klimaschutz-Gründen. Und wenn die CDU im Wahlkampf plakatiert: „Hände weg vom Auto!“, dann sieht Andreas die Debatte auf dem richtigen Weg. Wenn das Auto nicht mehr selbstverständlich ist, sondern begründet und verteidigt werden muss, dann kann etwas neues entstehen.

    Das Narrativ der Technologie Auto ist auserzählt. Freiheit und Wohlstand waren seine Themen, Vernetzung und Teilhabe. Fun fact: Die Scheidungsrate korreliert mit der Anzahl der Autos; Beweglichkeit wirkt. Das neue Narrativ der Mobilität: Autos schaden uns mehr als sie uns nützen. In einer vernetzten Mobilität der Zukunft reichen 25% der heutigen Autos, um ohne Einschränkungen mobil zu sein. Der Rest steht herum, raubt Platz, dominiert unser Bild von Straßen, Städten und Raum. In Berlin allein sind das 900.000 Fahrzeuge. Einfach überflüssig. Aber wir glauben immer noch, uns würde etwas weggenommen, wenn Parkplätze entfallen (Übersetze: Wenn wir Raum für Menschen gewinnen), Fahrspuren aufgehoben werden (Fahrradfahrende sicher unterwegs sein können), etc. Es ist ein Prozess. Und er wird dauern. Aber er ist nicht mehr aufzuhalten. In 15 Jahren, so die Einschätzung von Andreas, werden unsere Städte anders aussehen als heute. Eben doch kein Autoland.

    Zu Gast: Prof. Dr. Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe "Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung - WZB, Professor für Soziologie an der TU Berlin

  • Daniel Feyler ist bekennender Versicherungsfan, seit Jahren in der Branche tätig, Schwerpunkt Startups und Innovationen. Er sagt: Das Prinzip Versicherung ist sinnvoll und extrem zukunftsfähig, wenn es auch in der Regel ein schlechtes Geschäft ist. Versicherungen gleichen Schäden aus, sie nehmen dafür Prämien - und machen Gewinn. Für die Versicherten also immer ein schlechtes Geschäft. Allerdings an der richtigen Stelle auch ein notwendiges. Daniels Faustregel zur Bestimmung des eigenen Risikos: Würde dich der Schaden in den Ruin treiben oder könntest du ihn zähneknirschend selbst begleichen? Das eine bitte versichern, das andere nicht. Das Haus gegen Feuer absichern, aber das Handy …?

    Vor wenigen Jahren pflegte die Versicherungsbranche noch eine bunte, etwas poppige Vorstellung ihrer Zukunft, in der wir alle auf dem Handy oder auf der Uhr irgendwelche fancy Versicherungen abschließen, die tief in Berlin-Mitte von ein paar Hipstern im Startup-Hub einer ansonsten eher behäbigen Versicherung erdacht wurden. Daran glaubt wohl kaum ein Mensch mehr. Es ist ja auch kein Versicherer aus dem Markt gedrängt worden. Soweit hat die Disruption schon mal nicht funktioniert. Andererseits hat die InsurTech-Welle der Mitte der 10er Jahre bei den Versicherungen enorme Investitionen in IT ausgelöst. Daniel betont, dass es diese ohne die InsurTechs wahrscheinlich nicht gegeben hätte.

    Und die InsurTechs selbst? Viele InsurTechs sind hart mit der Realität in Kontakt gekommen. Daniel sieht hier vor allem die Regulatorik wirken. Vor wenigen Jahren noch als Geißel beklagt, hat sie sich für die Versicherungen auch als Schutz erwiesen, als Barriere gegen Disruption von außen. Fast alle IsurTechs, die selber als Versicherer Kunden gewinnen wollten, haben ihr Geschäftsmodell inzwischen umgestellt und arbeiten in Kooperation mit den Versicherern. Die InsurTechs sind vielfach ausgelagerte Technologiezentren der etablierten Großen geworden.

    Die zentrale Zukunftsfrage der Versicherung ist technologiegetrieben. Die intelligente Analytik wird immer feiner, die Bewertung einzelner Risiken immer genauer. Versicherungen können immer präziser bestimmen, welches „gute“ Risiken sind und welche nicht. Kurzfristig verbessert das die Bilanz. Langfristig kann das Prinzip Versicherung damit dem eigenen Erfolg zum Opfer fallen. Stabilität, Sicherheit und Gemeinschaft machen das Prinzip der Versicherung aus. Wenn Gemeinschaft irgendwann darin besteht, dass nur noch bestimmte Einzelrisiken versicherbar sind (und das auch noch diejenigen sind, die kaum ein tiefes Risiko darstellen), höhlt sich die Versicherungswirtschaft selbst aus. Lösung? Offen.

    Zu Gast: Daniel Feyler, Co-Founder und Gesellschafter des InsurTechs ePrimus und investiert als Business Angel in weitere InsurTechs.

  • Am Ende ist es doch überall so: Schaut man genauer hin, wird es komplex. Jedenfalls beim Klima ist es so, präziser: Beim Klimaschutz, den wir schon lange besser "Zivilisationsschutz" nennen sollten, denn dem Klima ... nun ja, ist es ja eher egal. Nur uns nicht. Julian Zuber hat daher GermanZero mit auf den Weg gebracht. GermanZero schreibt Gesetze für Klimaschutz und organisiert die passende Graswurzelbewegung dazu.

    Tun wir genug? Sind wir schnell genug? Halten wir 1,5 Grad? Nein, nein und nochmals nein. Aber sind Demonstrationen und Klimastreiks deshalb ohne Wirkung? Auch nein. Druck wirkt. Klimaklagen wirken, zuallererst natürlich die von Roda Verheyen, ausführlich hier im Podcast diskutiert. Germanzero arbeitet mit Kommunen, der Zivilgesellschaft und der Politik zusammen, um realistische, aber ambitionierte Pfade zu einer klimaneutralen Zukunft zu gestalten. Von „Local Zero“ Netzwerken, die lokal agieren, bis hin zu politischen Forderungen, die auf nationaler Ebene Druck machen

    Wann haben wir eigentlich angefangen, Klimaschutz als "links-grünes" Projekt zu verstehen? Aus im Grunde jeder demokratischen Perspektive heraus müsste Klimaschutz ein attraktives Ziel ergeben. Freiheit für die Liberalen, Bewahrung für die Konservativen, Respekt vor der Schöpfung für die Religiösen. Julian schaut auf die europäische Diskussion und stellt fest, dass Klima dort kein linkes Projekt ist, sondern das ist ein mehrheitliches Projekt, "auch gerade von den Konservativen, wo also wirklich mehrheitlich die Demokraten an Bord sind und das unterstützen, dass wir hier sehr, sehr schnell klimaneutral werden."

    Was hilft im Dialog mit der Politik? Verstehen der menschlichen Situation der Politiker:innen und Kompetenz in Sachen Komplexität. Die Klimaschutz-geleitete Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft ist komplex, da braucht auch der professionelle politische Betrieb Unterstützung.

    Zu Gast: Julian Zuber, Gründer und Geschäftsführer von GermanZero

  • Lernen ist gefährlich? Und wie! Jedenfalls für die Strukturen, die erstarrt sind. Für die Kulturen, die es nicht aushalten, wenn man sie hinterfragt. Für die Organisationen, die nur stabil und sicher funktionieren, wenn alles immer „Weiter so!“ geht. Julia Moritz und Mathias Harrassowitz diskutieren mit Michael über das Lernen in Organisationen. Und wer sich über die Naturgeräusche im Hintergrund wundert: Dies ist die jährliche Folge aus Portugal, vom Future Camp von „Carls-Zukunft“.

    Um Missverständnisse zu vermeiden: Wir sprechen hier nicht über „Excel für Fortgeschrittene 2“ oder „Kritikgespräche richtig führen“. Da, wo es um schlichte Wissensvermittlung geht, passiert hoffentlich auch mehr als nur die Übergabe des Zertifikats. Julia, Mathias und Michael sprechen über Lernprozesse, die tiefer gehen, die Struktur und Vision eines Unternehmens in Frage stellen und damit weiter voran treiben. Diese sind gefährlich - siehe oben - und sind zugleich notwendig. 

    Eine gängige Schulweisheit zu Lernen und Entwicklung von Organisationen lautet: In Krisen, da geht etwas. In Corona-Zeiten, da sind wir alle zu Home-Officers geworden. Wie nachhaltig das war, sehen wir heute, wo ein großes Unternehmen nach dem anderen versucht, die Menschen wieder in die Büros zu beordern, wo sie vermeintlich besser kontrolliert werden können. Als ob sie dessen bedürften… Krise führt eben nicht zum echten Lernen, Krise bestätigt eher die Rahmenbedingungen, nach der Krise ist nach der Ausnahme, zurück zur Normalität. In der Krise verändere ich mein Verhalten, aber ich habe meist keinen Raum für echte Lernprozesse. Es entsteht nichts Neues. Ausnahmen bestätigen die Regel. 

    Wie aber trete ich einen Lernprozess los, wenn gerade keine Krise ist? Wie setzen wir eine Entwicklung des kollektiven Gehirns einer Organisation in Gang? Spätestens das lenkt den Gedanken auf Menschen in Führung und hierarchischer Verantwortung. Eine der zentralen Thesen der Zukunftsdiskussion auf dem Future Camp: Letztlich sind nachhaltige Entwicklung einer Organisation und ihr großer Lernprozess identisch. Es geht um die schlicht anmutende Frage: Wie machen wir es ein Stück wahrscheinlicher, dass die Organisation auf eine nachhaltig erfolgreiche Zukunft blicken kann - und diese auch erreicht? Klassische Hierarchie neigt oft dazu, diese Prozesse zu bremsen, schließlich stehen die eigene Karriere und die Rahmenbedingungen der eigenen Bedeutung in Frage. Womöglich sogar der Dienstwagen! Gleichzeitig braucht es den Anstoß und Antrieb, den Raum und die Kultur, um allen in der Organisation den Platz zu geben, die Organisation voranzutreiben. 

    Julia Moritz, Mathias Harrassowitz und Michael Carl sind Hosts der Transformationsplattform „The Elephant“.

  • Faschisten machen Faschistensachen. Soweit so erwartbar. Weniger erwartbar war der 10. Januar 2024. Eine Zäsur in der politischen Landschaft. An diesem Tag hat Correctiv erstmals über das Geheimtreffen von AfD-Politikern, der Identitäten Bewegung und weiteren Faschisten berichtet. Gründer und Kopf von Correctiv ist David Schraven. Er sagt: Was ihn an diesem Treffen am Ende doch überrascht hat, war die Offenheit, mit der über die Vertreibung von Millionen Deutschen gesprochen wurde. Als wäre das ganz normal. 

    David betont: Natürlich sind wir alle für Meinungsfreiheit, wir sind aber auch nicht dumm. Darum ist es zwingend nötig, ein Verbot der AfD auf den Weg zu bringen. Das wird dauern, aber es kommt. Es muss kommen. Denn: Die AfD plant nichts weiter als echten Verrat. 

    Warum tun wir uns so schwer, diesen Verrat als solche zu benennen? Davids These: Hier ist ein Abgrund. Das ist schauerlich - und es ist viel leichter wegzusehen als angemessen zu reagieren, zumal die angemessene Reaktion auf Faschismus und Landesverrat eine harte ist. Es sind Verräter. Die Konsequenzen sind entsprechend hart und böse. Mit Verrätern geht man um wie mit Verrätern. Die gehen in den Knast. Vor dieser Erkenntnis erschrecken wir. Man möchte so einen Vorwurf nicht machen. Aber es wird immer offensichtlicher; so offensichtlich, dass wir uns es nicht mehr mit der Batikgruppe schön tanzen können.

    Ein Problem: Unsere Wirklichkeit ist dem nicht angemessen. Der Abgrund steht im Widerspruch zu unserer Welt, die wir erleben. Wir können immer noch in die Gartenkneipe gehen und eine Weißweinschorle genießen. Wir reden über eine neue Realität - nur wir verstehen sie nicht. 

    Auf zweiten Blick geht es beim Verrat der Faschisten nicht nur um Spionage und Schmiergeld. David schlägt den Bogen über die EU und den wirren Plan eines DEXITs, den russischen Krieg, die Abhängigkeit Teslas von China und die im Bau befindliche chinesische Flotte von Autotransportern. Das Spiel, dessen Zeuge wir gerade werden, ist groß. Und alles, wofür die AfD darin steht, wird und soll unser Land schwächen, sorgt für Armut und spielt den Interessen anderer Länder in die Karten. Zufällig genau der Länder, die mit Schmiergeldzahlungen und Spionage in Verbindung gebracht werden. 

    Der Gedanke, dass die russische Invasion 2022 den Krieg mit der Ukraine nicht beginnen, sondern beenden sollte, stammt aus dem Buch: Oksana Sabuschko: Die längste Buchtour: Essay. 

    Zum Thema Fakenews hat David dieses Essay verfasst: https://correctiv.org/fakenews/

    Informationen zum Thema Bias finden sich hier: https://correctiv.org/media/vis/online-comic-book-der-beeinflussugsapparat/0/index.html#84

    Zu Gast: David Schraven, Gründer, Geschäftsführer und Kopf von Correctiv.

  • Vorab: Menschen sind nicht gut darin, sich zu verändern. Mindestens nicht in Gruppen. Isabelle beschreibt, wie diese Beobachtung mit Verunsicherung zusammenhängt. Der Wandel nimmt mir das vertraute - und dann? Erfolgreiche Veränderungen brauchen einen Bürgen. Sie brauchen jemanden, der glaubwürdig ist und sich öffentlich für den Wandel verbürgt. Dann kann es gehen. Isabelle Stadelmann-Steffen ist Politologin und forscht an der Universität Bern. Sie sagt: Es braucht „cues“ und das sind im politischen Betrieb oft die Parteien. Jemand muss das Gefühl von Sicherheit stiften. 

    Eine weitere Strategie bezieht sich auf den Zuschnitt von Veränderungen. Die Chancen auf Wandel steigen immer dann, wenn der Mensch einem Vorhaben aus ganz unterschiedlichen Gründen zustimmen kann. Am Beispiel der Energiewende: Ich kann Windräder aus Gründen des Klimaschutzes gut finden, oder wegen der Energiesicherheit. Oder wegen der niedrigen Kosen für Strom. Wer sein Vorhaben richtig zuschneidet, vergrößert die Chancen auf eine Realisierung. 

    Isabelle zeigt, wie Menschen in der Regel Kosten und Nutzen abwägen. Hier entscheidet es sich. Unter dem Begriff der Kosten fasst Isabelle die kurzfristige Effekte zusammen, Mehrkosten aber auch Aufwand. Die Mühe, sich verändern zu müssen. Der Nutzen bezieht sich viel häufiger auf Werte und Einstellungen - er entsteht aber erst langfristig. Das sind schlechte Startvoraussetzungen für Wandel. Zumal sich Menschen als sehr empfindlich zeigen, wenn sie die Kosten nicht gleich verteilt fühlen. Warum darf der Reichere noch fliegen, wenn ich im Land den Zug nehmen muss? Ein weiteres Argument für die politische Steuerung. Isabelle formuliert ganz klar: Eigenverantwortung reicht nicht. Es braucht politische Entscheidungen durchaus Top-down, um Fairness zu schaffen, um Klarheit zu erzeugen und Anreize zu setzen. Die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen muss nicht individuell erfolgen, sondern auf der politischen Ebene. Wandel im großen Maßstab findet sonst nicht statt. 

    Ganz praktisch: Wer Wandel fördern will, muss in Alternativen sprechen. Wollen wir diese Zukunft oder jene? Im Alltag sind die Alternativen dabei häufig falsch gewählt. Wer sich um ein neues Windrad streitet, kann nicht „Heutige Landschaft“ vs. „“Windrad“ gegenüberstellen. Die richtigen Alternativen liegen oft in der Zukunft. „Diese Landschaft, gezeichnet vom Klimawandel“ vs. „Etwas weniger gezeichnet, dafür mit Windrad“. Und das am besten noch auf einer emotionalen Ebene. Isabelles Untersuchungen zeigen: Es ist weniger wichtig, ob es eine Maßnahme tatsächlich braucht. Viel entscheidender ist: Denke ich, dass es die Maßnahme braucht? Das Emotionale ist handlungsleitender, auch wenn es das Rationale dazu auch noch braucht.

    Zu Gast: Professorin Isabelle Stadelmann-Steffen, Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. 

  • Haben wir einen Fachkräftemangel in der Politik? Jedenfalls brauchen wir Nachwuchs. Und es scheint, die nächste Generation in der Politik muss mehr können, als die Ochsentour einer klassischen Parteikarriere zu absolvieren. Wer nicht ein paar Jahre Schatzmeister im Kreisverband war, schafft es nie auf einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste … Caroline Weimann lässt das keine Ruhe. Sie hat „JoinPolitics“ gegründet, um andere Talente in den Bundestag zu bringen. Oder in einen Landtag. Jedenfalls in Verantwortung. Wie das gehen kann, erklärt sie im Podcast.

    Caroline sagt: Politische Herausforderungen werden in den kommenden Jahren genau das, nämlich: herausfordernder. Was wäre, wenn wir nicht Parteisoldaten daran setzen würden, sondern Menschen, die eine Vision umtreibt - und die dann auch noch über die Fähigkeit verfügen, Menschen zu gewinnen, die Ärmel hochzukrempeln und ins Tun zu kommen?

    Ein Lackmus-Test: Sind Parteiabende so spannend und attraktiv, dass man seine Freunde einladen würde - und sie sogar mitkämen? Andersherum gefragt: Welche Typus Akteur spuckt das heutige politische System einfach direkt wieder aus? Und was müssen wir ändern, damit es die Macher:innen von morgen gerade anzieht?

    Michael und Caroline sprechen über die Zukunft von Politik - und über die Zukunft in der Politik. Caroline wünscht sich mehr der großen Themen wirklich auf der Agenda. Rente, Biodiversität, Teilhabe. Der Weg dahin führt über ein Zukunftsbild. Was ist die ebenso mögliche wie attraktive Zukunft? Von dort aus wird es uns leichter gelingen, rückwärts zu denken und abzuleiten, was wir heute dafür tun müssen. Leichter, oder vielleicht überhaupt erst.

    Zu Gast: Caroline Weimann, Gründerin von JoinPolitics. 

  • Jede:r einzelne kann einen Unterschied im Kampf gegen die Klimakrise machen. Davon ist Ruth von Heusinger zutiefst überzeugt. Das hat allerdings einen Preis. Aber es lohnt sich. Der Gewinn sind bessere Lebensbedingungen. Der Preis kann persönlicher Einsatz für das Klima sein, die Umstellung des eigenen Lebensstils oder eben der Erwerb von Verschmutzungsrechten.

    Ruth hat dafür „ForTomorrow“ gegründet. Sie sammelt Spendengelder und erwirbt dafür bei der EU Verschmutzungsrechte. Tonne für Tonne CO2 und weitere Treibhausgase. Unternehmen in immer mehr Branchen müssen diese Rechte kaufen, um bei der Produktion Treibhausgase ausstoßen zu dürfen. Ruth kauft sie, um sie stillzulegen. Und da die Rechte endlich sind, ist jedes stillgelegte Verschmutzungsrecht eine Tonne CO2, die in Europa nicht ausgestoßen wird.

    Mit den Verschmutzungsrechten bringt die EU die Kosten für das Anheizen des Klimawandels in die Bilanzen der Unternehmen. Gibt es noch zu viele davon? Ja. Immer noch zu günstig? Wohl auch ja. Immer noch zu wenige Branchen? Ja. Autoverkehr kommt erst 2027 dazu. Aber das Prinzip steht. Und es wirkt. Ruth betont die mehrfache Wirkung des investierten Geldes: Erst wird das Klima entlastet. Dann sind die Regierungen verpflichtet, die Einnahmen für Klimazwecke zu verwenden. Und wir sorgen handfest für Transformationsanreize in den Unternehmen. Sobald es günstiger ist, Verschmutzungsrechte nicht nutzen zu müssen, sie gar lieber zu verkaufen als selbst einzusetzen, treiben wir die Transformation von Produktion und Konsum voran.

    Ruth hat bislang 18.000 Tonnen CO2 aus dem Spiel genommen. Ist das Viel oder wenig? Mehr als sie zu Anfang je gedacht hätte, sagt Ruth. Und doch nicht genug. Das gängigste Spendenmodell ist es, wenn Menschen ihre eigenen Fußabdruck eliminieren wollen. Für Menschen in Deutschland heißt das derzeit: 9 Tonnen pro Jahr.

    Der zweite Arm von „ForTomorrow“ widmet sich dem Wald. Noch gibt es kein effizienteres Werkzeug als Bäume, um CO2 aus der Luft zu filtern. Ruth und ihr Team machen sich auch hier die Wirkungsweise von Ämtern und Gesetzen zu nutzen. Fläche, die einmal als Wald ausgewiesen ist, kann nie wieder etwas anderes werden, so steht es im Gesetz. Also sorgt Ruths Team dafür, dass Flächen zu Wäldern erklärt werden. Die ersten Bäume pflanzt „ForTomorrow“, den Rest macht das Amt für Forstwirtschaft. So geht Arbeit mit dem System.

    Zu Gast: Ruth von Heusinger, Gründerin und Geschäftsführerin von ForTomorrow

  • Zweifel sind angebracht. Sind wir angesichts der Krisen und Herausforderungen, die vor uns liegen, mit unserem politischen System wirklich gut aufgestellt? Max jedenfalls teilt diese Zweifel. Seine Gründung „Brand New Bundestag“ soll Menschen in das politische System bringen, die den Mut und die Fähigkeit haben, das System zu hinterfragen und die Strukturen überall dort herauszufordern, wo sie uns nicht mehr dienen. Solche Leute sucht Max. Und er findet sie. Mit diesen Kandidaten arbeitet Brand New Bundestag und unterstützt sie, zum Beispiel durch Öffentlichkeit. Was es wiederum einfacher macht, sich parteiintern durchzusetzen. Die ersten unterstützten Kandidaten haben es bei der vorigen Wahl in den Bundestag geschafft. Mehr sollen folgen.

    Das politische System, das wir haben, fördert das Verlässliche. Das immer gleiche. Das Berechenbare. Der Konformitätsdruck für Abgeordnete und mehr noch für Kandidat:innen ist krass. Eine Konsequenz: Diverse, profilierte Kandidat:innen aller Parteien hätten an der Urne durchaus Chancen - aber sie kommen dort gar nicht erst hin, weil sie sich vorab in ihrer Partei nicht durchsetzen können. Am Ende bekommen wir immer wieder denselben Partei-fähigen Typus Politiker:in. Max sagt: Die Demokratiekrise, die wir gerade erleben, ist eine Parteienkrise.

    Brand New Bundestag wurde aus der Erfahrung der Klimabewegung vor der 2021er Bundestagswahl gegründet. Die Klimakrise und die notwendige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft stehen inhaltlich stark im Zentrum. Max erzählt, wie er damals als Berater im Bundestag immer wieder einen Graben erlebt hat: Draußen engagieren sich Menschen und drinnen zucken Abgeordnete mit den Schultern und fragen sich, was ihnen das helfen kann. Zivilgesellschaft und Politik kommen nicht richtig zusammen. Beide tauschen oberflächlich Informationen aus, aber sobald die Tür zugeht, schlägt der politische Betrieb zu. … das kriege ich nicht durch … der Fraktionsvorstand hält das nicht für ein gutes Thema … So mutieren Anhörungen zu Pseudobeteiligungen. Welche Informationen werden eigentlich politisch-strategisch verwendet? Viele Wähler:innen und Engagierte sind frustriert. Was kommt von meiner Botschaft und warum manches nicht?

    Brand New Bundestag setzt eine Community dagegen, hat progressive Abgeordnete aus allen Parteien (außer der AfD, versteht sich) erst zusammen- und dann mit zivilgesellschaftlichen Akteuren in den Dialog gebracht. Die einen können Bewegungen erzeugen, die anderen Gesetze. Was wird für eine Energie frei, wenn beides koordiniert stattfindet? Die Idee heißt Movement Politics. Die parlamentarische Arbeit als Fortsetzung des zivilgesellschaftlichen Engagements. Letzten Endes, so Max, brauchen wir eine gemeinsame Fortschrittserzählung, die die großen Krisen ernst nimmt und besprechbar macht. Dann lebt die Demokratie.

    Zu Gast: Dr. Maximilian Oehl, Co-Initiator & Executive Director @ Brand New Bundestag

  • Die Klimakrise bestimmt, wie warm es sein wird - dann, wenn wir an der Biodiversitätskrise sterben. So in Kürze der Zusammenhang zwischen der unterschätzten Krise (Klima) und der dramatisch unterschätzten Krise (Biodiversität). Biodiversität ist das große kommende Thema. Pro Stunde sterben sechs Spezies auf diesem Planeten aus. In den vergangenen 50 Jahren haben wir 70% der Masse an Wirbeltieren verloren. Anna Alex betont: Das waren nicht irgendwelche fernen Vorfahren, das ist jetzt, das sind wir.

    Anna hatte bereits erfolgreich mehrere Startups gegründet, als sie zur Mitgründerin von Nala.earth wurde. Nala verknüpft Unternehmen mit ihrer natürlichen Umgebung, genauer: Die Software von Nala bringt die Auswirkungen eines Unternehmens auf seine konkrete Umwelt in den Boardroom. Damit wird messbar, was wir sonst de facto oft ignorieren. Die Natur erbringt enorme wirtschaftlich wertvolle Leistungen - und: Zahlreiche Produktionsprozesse sind von der Natur direkt oder indirekt abhängig. Abseits von Ethik und Werten liegt hier eine ganz handfeste Motivation für Unternehmen. Wie groß sind die Abhängigkeiten und Risiken, wo mein Unternehmen mit der Natur interagiert? Nala liefern die Kennzahlen, die es für diese Risikoabschätzung braucht. 

    Anna erläutert: Nur 1% der Fläche Europas ist wilde Natur, in Deutschland sogar nur 0,6%. Alles andere ist gemanaged, als könnten sich Wald, Wiese und Gewässer nicht eigenständig höchst erfolgreich entwickeln. Zugleich erbringt die Natur eine erhebliche Wirtschaftsleistung. Global ist sie doppelt so hoch wie GDP. Anna sagt, Wenn wir die Natur immer mehr einschränken, steuern, kontrollieren wollen, passt das so einfach nicht zusammen und ist nicht zukunftsfähig. Wenn die Ökosystem-Dienstleistungen doppelt so hoch sind wie die Wirtschaftsleistung, heißt das auch: Berechnen wir die Natur mit ein, ist unsere Wirtschaftsleistung negativ. Mehr als deutlich negativ. So viel zum Narrativ der Industrialisierung, dass wir uns in den vergangenen 200 Jahren Wohlstand und Annehmlichkeiten geschaffen haben …

    Die gute Nachricht: Dass Biodiversität "the next big thing" ist, realisieren immer mehr Menschen in unternehmerischer Verantwortung. CSRD mag hier zusätzlich helfen.

    Die zweite gute Nachricht: Anna bietet allen Hörer:innen dieses Podcasts einen kostenlosen Einstieg. Unternehmen können für drei Produktionsstätten eine kostenfreie erste Analyse aus dem System von Nola erhalten. Interesse? Einfach mail an [email protected].

    Zu Gast: Anna Alex, Unternehmerin & Investorin mit Fokus auf Nachhaltigkeit, Biodiversität und Natur, Co-Founder Nala Earth, Planetly, Outfittery

  • Es ist so etwas wie das kleine gallische Dorf der Social Media Plattformen. Während Twitter (sein Eigentümer kennt nur den einen Buchstaben zwischen W und Y) bedrohlich nach rechts trudelt, TikTok von AfD-Videos geflutet wird, Instagram nur emotionalen Stress mittels unerreichbarer Schönheitsideale fördert, ist nebenan.de geradezu unspektakulär friedlich. Menschen helfen sich. Fertig. Philipp Witzmann ist der Kopf von nebenan.de. Er biete Raum für Bohrmaschinentausch und weihnachtliche Nachbarschaftserfahrungen.

    Ja, Philipp hat auch ein Team, das eingreift, wenn sich wer im Ton vergreift. Aber die Größenordnung ist hier eine völlig andere. Seine These: Die Nähe wirkt. Wer seine Botschaften in die Welt hinausschreien will, braucht Facebook oder ähnliches. Bei nebenan.de landet die Botschaft in der Nachbarschaft und nirgendwo sonst. Und der Absender ist mit Klarnamen verifiziert und wohnt auch genau dort, wo seine Botschaft ertönt. Philipp sagt: Geradere räumliche Beschränkung führt zu einer anderen Atmosphäre.

    Letztlich ist der Mensch auf Kooperation und Austausch ausgelegt. Philipp verweist auf Statistiken, wonach allein lebende Menschen Monate früher in Pflegeheime übersiedeln als solche in sozialen Bindungen. Einsamkeit macht krank. Das ist einer der Sweet Spots von nebenan.de: Menschen nicht nur zur gemeinsamen Nutzung der Haushaltsleiter, sondern für Begegnung, Austausch, gemeinsame Spaziergänge oder Mahlzeiten.

    Während die klassischen ehrenamtlichen Organisationen sich schon lange Sorgen über ihren Nachwuchs machen, sieht Philipp in den Daten seiner Plattform sehr genau: Dies liegt nicht am mangelnden Willen der Menschen. Die Hilfsbereitschaft ist da. Das Engagement, der Sinn für eine große Gemeinsamkeit. Möglicherweise ist die Form heute angemessener, sich je nach Kapazität aktuell für Hilfe zu entscheiden - und sich nicht direkt auf Dauer zu verpflichten. Davon erhält dann zwar niemand eine Ausbildung am Feuerwehrschlauch, das ist ein Problem. Aber die Schwelle zur gegenseitigen Hilfe ist offensichtlich in einer digital vermittelten Nachbarschaft geringer.

    Der Film, den Philipp erwähnt, ist „Social Dilemma“: https://www.thesocialdilemma.com/de/the-film/

    Zu Gast: Philipp Witzmann, CEO von nebenan.de

  • Menschen mit rechten und rassistischen Haltungen sind mitten unter uns. Natürlich. Überall. In der Feuerwehr, im Fußball, im Gemeinderat ohnehin. Leider auch in staatlichen Organisationen wie Polizei und Justiz. Der Journalist Matthias Meisner analysiert die rechte Szene schon seit langem; gerade hat er gemeinsam mit Heike Kleffner ein Buch herausgegeben. In „Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“ beschreiben zahlreiche Autor:innen das Phänomen detailliert.

    Das Phänomen ist kleinteilig und vielschichtig, das Muster erschreckend. Rechte Netzwerke streben gezielt an, sich in staatlichen Institutionen zu verankern. Damit bekommt die rechte Haltung ganz konkrete Konsequenzen: Welches Jugendhaus bekommt Mittel? Welche Anträge werden überhaupt bearbeitet oder einfach verschleppt? Jüngstes Beispiel: In Eisenach haben Journalisten dokumentiert, wie rechte Bands verbotene Symbole benutzen. Gegen wen ermittelt inzwischen die Polizei? Und gegen wen nicht? Das ist der Effekt.

    Matthias betont: AfD und co schlafen nicht, sondern versuchen sich ganz gezielt als parlamentarischer Arm der Sicherheitsbehörden zu inszenieren. Damit wächst die Bedrohung weiter.

    Auch wenn das Momentum der gesellschaftlichen Mitte gerade so groß ist wie schon lange nicht, sagt Matthias: Es gibt Regionen in Deutschland, die wirken verloren für die Demokratie. Bautzen gehört dazu. Hier ist Matthias nah an der Resignation, sagt: Da weiß ich nicht, wie das noch zu retten ist. In solchen Regionen seien die Vernetzungen zwischen AfD und CDU so groß, da sind die beiden auch am Ende nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Kommt dann noch die Bedrohung von Kommunalpolitiker:innen durch Rechte hinzu, verschärft sich das Bild. Wenn auch noch diejenigen aufgeben, die bislang dagegen halten, kann die Stimmung kippen und Regionen drohen verloren zu gehen.

    Ein Merkmal dieser Entwicklung: Ganze Bereiche des Lebens werden entpolitisiert. Will ein Gasthaus keine AfD-Veranstaltungen, nimmt es einfach gar keine mehr. Die ehemalige Synagoge in Görlitz. Prachtvoll restauriert. Die Institution hat sich als Policy gegeben, dass Antisemitismus hier keinen Platz haben darf - wie auch sonst? Die Konsequenz: Es finden gar keine politischen Veranstaltungen statt, weil sich niemand dazu durchringen kann, die örtliche AfD auszuladen. Ein Beispiel von vielen.

    Matthias spricht sich dafür aus, genau hier für eine Gegenstrategie anzusetzen. Er regt an, lokale Stammtische aufzulegen, für Demokratie, für Vernetzung, so niedrigschwellig wie möglich. Das Konzept wird er in Kürze bei Campact vorstellen.  

    Das Buch von Matthias und Heike heißt „Staatsgewalt. Wie rechtsradikale Netzwerke die Sicherheitsbehörden unterwandern“, 2023 erschienen im Herder Verlag.

    Das andere im Podcast erwähnte Buch ist von Hendrik Cremer und heißt: „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist“ und ist 2024 bei Piper erschienen.

    Campact Blog

    Zu Gast:

  • Ein Eindruck: Kommt der Klimawandel noch schneller als gedacht? Die Antarktis taut schneller ab, die Ozeane erwärmen sich stärker als erwartet, die Temperaturen reißen Höchststand nach Höchststand. Stimmt der Eindruck? Jein, sagt Lars Fischer, Wissenschaftsjournalist bei Spektrum. Die Erde erwärmt sich ziemlich genau im prognostizierten Rahmen der gängigen Klimamodelle. Allerdings sehen wir mehr und mehr einzelne extreme, lokale Ereignisse.

    Konkret: Vor uns liegt eine Welt, in der häufiger Wetterereignisse auftreten, die vorher extrem selten waren. Lars sagt: Damit funktionieren unsere über Jahrhundert geübten Anpassungen nicht mehr. Wie hoch bauen wir die Deiche? Wo können wir Häuser errichten? Haben wir genug Wasser? Welche Feldfrüchte bauen wir an? Die Infrastruktur unserer Gesellschaft, die materielle wie die kulturelle, funktioniert nicht mehr. Das verursacht Kosten, das erzeugt soziale Verwerfungen. Und wir wissen: Für komplexe Gesellschaften war das historisch stets schwer zu verarbeiten. Menschliche Gesellschaften haben gut funktioniert, solange die Systeme stabil waren. Wenn die Umweltfaktoren sich stark veränderlich zeigten, sind menschliche Kulturen ins Wanken gekommen. Mit diesem Effekt müssen wir rechnen. 

    Lars betont: Wir könnten uns durchaus auf eine 2 Grad wärmere Welt einstellen. Das ist teuer, anstrengend und nicht nett, aber es geht. Der Punkt, so hebt er hervor, ist ein anderer: Wir haben kein neues Normal mehr. Unsere Anpassungsprozesse dauern zu lange. Wir rennen hinterher. Wenn wir uns angepasst haben, ist die Welt schon wieder anders. Am Ende sind wir bei "Hase und Igel", nur leider als Hase.

    Ein konkreter Anwendungsfall, an dem Michael und Lars die Tragweite diskutieren, ist die Erwärmung der Ozeane. Ein Szenario: Wird das Meer zu süß und zu warm, kommt der große Kreislauf zum Erliegen, der überdurchschnittlich viel warmes Wasser nach Europa bringt. Eine mögliche Konsequenz: Es wird kälter in Europa. Deutlich kälter und trockener. Und wieder laufen Hase und Igel.

    Zu Gast: Lars Fischer, Chemiker, Wissenschaftsjournalist, Redakteur bei "Spektrum der Wissenschaft"

    YouTube Kanal: https://www.youtube.com/@LarsFischer/videos

    Der im Podcast erwähnte Kommentar von Lars: Das Zeitalter der bösen Überraschungen

  • Dies ist keine Folge über wilde Landwirte auf riesigen Traktoren. Oder doch? Sebastian Lakner ist Professor an der Uni Rostock und lehrt Agrarökonomie. Er betont: Die Landwirtschaft befindet sich mitten in größten Veränderungen. Dass es dabei zu Ärger, Angst und sonstigen Emotionen kommt, ist kein Wunder.

    Michael und Sebastian diskutieren die Zukunft der Landwirtschaft. Sebastian zeigt auf, wie gerade die technologische Entwicklung die Strukturen der Landwirtschaft prägt und weiter prägen wird. Immer mehr Technologie, autonome Hackroboter, Satelliten-gestützte Düngung steigern die Erträge, minimieren teils dazu noch den Einsatz von Wasser, Dünger und Gift - und überfordern die kleineren Betriebe Schritt für Schritt. Ist es schlimm, wenn die Kleinen weichen und die Großen wachsen? Für den einzelnen Kleinen natürlich. Wenn sich nach Jahrzehnten harter Arbeit kein Nachfolger findet, der den Hof übernimmt, sitzt der Frust tief. Aber insgesamt? Sebastian lässt keinen Zweifel daran: Die gängige romantische Vorstellung, wonach kleine Höfe in Handarbeit Lebensmittel in viel höherer Qualität produzieren als die Großbetriebe der Agrarindustrie, ist genau das: Romantik. Einen Zusammenhang zwischen Größe der Höfe und Qualität der Lebensmittel gibt es nicht. Auch nicht zum Tierwohl. Und wenn, dann tun sich eher die Großen leichter, gute Lebensmittel zu verträglichen Bedingungen zu produzieren.

    Der zweite große Veränderungstreiber ist der Wandel der Umweltbedingungen. Klima, Artenvielfalt - Landwirte sind hier Treiber wie Opfer der Entwicklung. Die Palette reicht von neuen Insekten bis hin zum Bedarf an neuen Zuchtpflanzen. Eine Schwierigkeit dabei: Dieser Wandel geht nicht nur tief, er ist dazu noch schnell. Mit herkömmlichen Zuchtverfahren werden wir kaum rechtzeitig Pflanzen haben, die mit den veränderten klimatischen Bedingungen zurecht kommen. Deshalb kommen wir kaum um den verantwortungsvollen Einsatz von grüner Gentechnik herum. Die ist letztlich genau das: Gezielte Zucht auf Speed. Michael und Sebastian beschreiben beide, wie sie aus einer ablehnenden Haltung gegenüber Gentechnik zu der Erkenntnis gekommen sind, dass ihr Einsatz im Grunde unabweisbar ist. Und gar nicht problematisch, den verantwortungsvollen Einsatz vorausgesetzt. Ja, ihr internationalen Konzerne, looking at you!

    Der Landwirt der Zukunft sollte in der Lage sein, einen Teil seiner Einkünfte mit Naturschutz zu erzielen. Müssen wir alle Flächen intensiv bewirtschaften? Nein. Nur dann sollte sich jemand kümmern, so wie ein Förster im Wald. Warum knüpfen wir die Subventionen der Landwirtschaft nicht daran? Der Bauer als Förster der Ökosysteme in der Fläche. Das ist doch mal ein Zukunftsbild.

    Zu Gast: Prof. Dr. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock

  • Ja, warum eigentlich? Natürlich, junge Unternehmen, häufig technologiegetrieben, meist von Gründer:innen mit starkem Realisierungsdrang - da ist Potenzial. Vielfach war (und ist?) jedoch das Bild prägend von den Gründer:innen, die auf ein schnelles Wachstum um des Wachstums willen und einen dann noch schnelleren Exit aus sind. Tina Dreimann hält dagegen: Wir stehen vor derart großen Herausforderungen, dafür brauchen wir die Energie, die Start-ups versprechen. Und den Wandel der Konzerne. Und und und.... Eigentlich alles.

    Tina ist Mitgründern des Impact Business Angel Clubs "better ventures". Gemeinsam investieren Business Angels Geld und Vernetzung in neue Unternehmen, die einen Impact versprechen. Viele von ihnen einen Impact auf Klimathemen, etliche auch darüber hinaus. Tina berichtet, dass sie mit ihrem Team in jedem Jahr mehrere tausend Start-ups sichtet, sie nach ihren wirtschaftlichen Erfolgsaussichten bewertet und daraufhin prüft, was ihr Beitrag zu einer positiven Entwicklung ist. Badeanzüge verkaufen und dafür hier und da einen Euro spenden reicht ihr dabei nicht. Sie sucht Geschäftsmodelle, die grundlegend neu gedacht sind, erfolgreich und genau darum positiv in der Wirkung.

    Nur, wie kommen wir ins Tun? Tina fordert einen Bewusstseinswandel. Weg von kurzfristigen Renditeträumen hin zu Substanz und nachhaltiger Wirkung. Die gute Nachricht aus ihrer Sicht: Im Grunde ist alles, was wir brauchen schon da. Vielleicht landen die Investorenmittel noch nicht immer an der richtigen Stelle, aber im Grunde: Die Aufgabe ist verstanden, gute Ideen und talentierte Gründungsteams gibt es mehr als genug. Also: Machen!

    Tina betont dabei: Sie schaut als Optimistin auf die Welt. Wenige Tage im Jahr ausgenommen, an denen sie sich auf das Sofa zur Familie verkriechen möchte. Im Kern, so betont sie: Dieser Optimismus ist etwas anderes als ein schlichter Glaube, es werde schon irgendwie auf wundersame Weise alles gut. Optimistin mit Grund.

    Zu Gast: Tina Dreimann, Mitgründerin und Geschäftsführerin von better ventures

    Start-ups:

    everdrop – Nachhaltiger putzen, waschen und spülen

    OCELL – KI für Walddiagnostik und Management

    BIOVOX – Biokunststoffe

    MEINE ERDE – Reerdigung